Es gibt natürlich hunderte von Artikeln, Kolumnen und Beiträgen zu diesem Thema und solltest du eine Autorin am Anfang ihres Weges sein, dann kennst du vermutlich bereits alle und weiß somit bestens Bescheid über das Für und Wider jeder Möglichkeit. Da kann ich dir nichts Neues sagen.
Das ist aber auch gar nicht mein Bestreben, denn ich schreibe für dich als Leserin. Oder genauer gesagt: Alles, was ich schreibe, schreibe ich für Leserinnen, ob das meine Romane sind oder ein Post auf Instagram oder eben dieser Artikel hier. Mit Kolleginnen kommuniziere ich lieber per Mail und Chat und live (was ich aber auch gerne mit Leserinnen tue).
Um was geht es also heute?
Weiß ich, ehrlich gesagt, noch gar nicht so genau. Aber das Thema brennt mir seit einiger Zeit schon auf der Seele, weil ich immer wieder in Diskussionen dazu gerate. Auch weil ich zu viele Artikel zum Thema ‚Der arme Verlag‘ gelesen habe während der letzten Wochen. Wobei mir irgendwann doch sehr aufstieß, wie es dabei immer um Existenzgrundlagen ging. Und zwar um diejenigen der Verlagsangestellten, der Buchhändlerinnen, der Vertriebler und der externen Mitarbeiterinnen wie Coverdesignerinnen, Lektorinnen und Korrektorinnen.
Die – wohl gemerkt – natürlich von ihrem Job leben sollen können. Nur nie erwähnt wurden die Autorinnen. Also mal so gar nicht, sieht man von Nebensätzen ab, in denen man vielleicht sagte, es sollten die Autorinnen unterstützen, es wäre ja im eigenen Interesse, wenn alle gut verdienten, dann bekämen sie ja auch mehr. Doch an erster Stelle kamen diejenigen, die von der Arbeit dieser einer Person leben wollen. Und da sah ich also all diejenigen Kolleginnen und Kollegen vor meinem geistigen Auge an ihrem Schreibtisch hocken, Wort an Wort suchend und aneinanderreihend und dabei die Last von mehr als einem Dutzend Personen auf den Schultern tragend.
Der Unterschied ist halt: Die meisten dieser Personen sind fest angestellt und haben einen Lohn, der in der Regel höher ist als der Durchschnittsverdienst einer Autorin. Deutlich höher. Also sehr viel höher. Vom Schreiben nämlich leben die Wenigsten, die meisten Kolleginnen, die nicht zu den Bestsellerköniginnen zählen, haben einen Hauptberuf und schreiben in der Freizeit, die noch bleibt. Und haben sich viel zu oft daran gewöhnt, gar nicht erst zu erwarten, von ihrem ‚Hobby‘ mehr zu haben als ein nettes Abendessen alle paar Wochen. Weil Kunst und Kultur und so. Und hey: Das ist doch Ruhm und Ehre genug, auf dem Titel eines Buches genannt zu werden und dieses Buch womöglich sogar im lokalen Buchhandel zu finden. (Selbstverständlich nicht, wenn dein Verlag nicht zu den Großen gehört und du dich gerne in einer der Ketten finden möchtest, die – das sollte mal nicht vergessen werden – den unabhängigen Buchhandel wirksamer zerstören, als Amazon es könnte.)
Ja, und logisch schließt sich an diese Diskussion immer das Geschimpfe über das (auf alle Fälle viel zu mächtige und) große A an, das böse Bedingungen diktiert und alles kaputt macht. Und ja, da gibt es vieles, was verbessert und abgeschafft werden muss, von Steuerschlupflöchern bis zu miesen Arbeitsbedingungen. Aber das viel größere Problem für Verlage vor allem dürfte sein, wie ausgesprochen kulant und hilfsbereit Amazon ist, wenn es darum geht, als Autorin von der eigenen Arbeit so gut leben zu können, wie es für die vorher genannten Personengruppen gilt.
Tja, jetzt könnte man meinen, ich wäre zur Indieautorin geworden, weil ich Geld verdienen wollte. Da muss ich sagen: So klug war ich lange Zeit nicht einmal, als dass ich mir um solche egoistischen Luxusgüter wie Essen, Trinken, Rente Gedanken gemacht hätte. Ich habe nämlich einfach nur meine erste Geschichte geschrieben und sie bei Amazon hochgeladen, weil ich viel zu ängstlich und schüchtern war, um Agenturen anzuschreiben. Deren Webauftritte sind in der Regel alles anderes als einladend und der Ton, in dem Bedingungen und Forderungen dort aufgelistet sind, geht mehr so in Richtung: Du, die du hier eintrittst, lass alle Hoffnung fahren!
Hat auf mich gewirkt, ich habe keine einzige Agentur angeschrieben. Und wollte meinen verschwundenen Professor einfach in täglich kleinen Portionen auf meinem Blog veröffentlichen. Was mir eine liebe Freundin verboten hat. Wenigstens bei Amazon könnte ich es doch einstellen, da könnten es meine Blogleserinnen kaufen. Punkt.
Ich gehorchte, erzählte auch, ich habe da einen Krimi geschrieben, aber den müsst ihr nicht kaufen, ist ja alles nur Spielerei und so peinlich. Aber etwa zwanzig kauften ihn dann doch. Und ich schrieb am zweiten Band, was ich nie vorgehabt hatte. So machte ich weiter, um mir mein verhasstes Hausfrauendasein erträglicher zu machen. (Ein ganz anderes Thema und nicht für heute angedacht). Etwas wie Werbung habe ich über Jahre nicht gemacht, sondern nur auf Instagram meine Cover gezeigt – was mir ebenfalls schon peinlich genug war. Ich wagte ja nicht einmal in Gedanken, mich Autorin zu nennen.
Ich bin also in das Indieautorinnenleben reingerutscht und kam dadurch dann auch zu zwei Verlagen. Ohne Frage: Die Zusammenarbeit war toll, ich mag die Leute alle sehr, es hat Spaß bereitet und natürlich ist ein absolutes Hochgefühl, von einem Verlag angeschrieben zu werden mit der Frage, ob man nicht etwas für sie schreiben wolle. Was zudem zu einem guten Zeitpunkt geschah: Meine Mutter war eben in die Demenz-WG umgezogen und machte dort die allergrößten Schwierigkeiten. Ich kam eben aus der Wohnung, mühsam nicht heulend und vollkommen geschafft, als mein Handy klingelte. Eine neue eMail. Ich schaue hinein und ja, das war das Highlight des Monats. Natürlich habe ich zugesagt und will seit langem schon einen weiteren Band für dp schreiben. Klappt nur irgendwie nicht.
Weil mein Schreibkalender voll ist bis obenhin. Weil ich zu viele Ideen habe, die ich verwirklichen möchte.
Aber auch, weil ich schneller bin als ein Verlag. Weil ich mittlerweile weiß, dass ich ein Kontrollfreak bin. Weil ich mich nicht in der Länge meines Romans einschränken lassen will. Weil ich alleine entscheiden will, ob nun dieses oder jenes passiert.
Nun war es nicht so, als hätte man mir etwas vorgeschrieben oder als wäre mein Text unkenntlich aus dem Lektorat gekommen (im Gegenteil wurde gar nichts geändert, was mich dann doch auch sehr wunderte). Nein, die Zusammenarbeit war toll. Aber sobald das Buch veröffentlicht war, hatte ich nichts mehr damit zu tun. Es fühlte sich nicht an wie meine Arbeit. Und das fühlt sich nicht gut an. Es ist ein bisschen so, als wäre mein kleines Kind zum Spielen bei einem Freund und dann riefen die Freundeseltern an und teilten mir mit, der bleibt jetzt bei uns, der kommt nicht wieder zu euch nach Hause. Und ich würde nur mit den Schultern zucken und sagen, das wäre schon ok. Grässlich, oder?
Für mich und meinen Charakter kann es nur das Indieautorinnenleben geben. Ich trage die Verantwortung an allem, arbeite täglich lange und hart an allen möglichen Aspekten dieses Berufs, mache mich damit oft genug vollkommen verrückt und fertig, aber ich liebe jede Minute davon. Mir gefällt das Cover nicht mehr, ich habe eine neue Serienidee, ich habe gelernt, einen besseren Klappentext zu schreiben, ich will diese Geschichte nicht mehr veröffentlichen? Alles eine Sache von Minuten, Stunden, Tagen und es ist so, wie ich das will. Ich kann auf alles reagieren, wie ich es möchte, ich muss mich mit niemandem absprechen, ich muss nicht bitten und betteln und ich kann – nahezu – für mein Essen, Trinken und die Rente sorgen. Dabei bin ich so abhängig wie wir alle von allen möglichen Gegebenheiten, aber doch so frei, wie es nur geht.
Also ganz klar: Indie von ganzem Herzen!