Jünger werde ich auch nicht …

Ich bin 1968 in Bonn geboren und lebe hier mit zwei Söhnen, zwei Katzen, zwei Hunden und – nein, nicht zweien! – einem Gatten. Und gelegentlich träume ich davon, irgendwo alleine in einer Hütte mit Blick auf irgendein Meer zu hausen mit einem Hund und einer Katze. Wie herrlich still und sauber es dann wohl wäre! Dem Haushalt nämlich werde ich nicht mehr Herrin und wenn ich nicht schreibe (oder schlafe), stürze ich mich auf ihn, versuche, ihn niederzuringen, erreiche einiges und bin zufrieden. Um eine halbe Stunde später festzustellen, dass irgendwer erneut Dreck und Chaos hinterlassen hat. Da ist das Schreiben doch deutlich erfolgsversprechender – kein Wunder also, dass ich die Herren in meinen Büchern sehr tatkräftig putzen, räumen und kochen lasse!

Wie kam es aber zu diesem vernachlässigten Haushalt?

Spazierte man vor einigen Jahrzehnten durch die Bonner Münsterstraße und trat ein in den Kartonagen- und Schreibwarenhandel Schmickler, so empfing einen in aller Regel das melodische Klacken einer Schreibmaschine. Und fragte man die Dame hinter der Theke, wer denn da so eifrig arbeite, so lautete die Antwort stets: »Das ist meine Enkelin.«

Die Enkelin – also mich – holte man dann herbei und das Erstaunen war groß, war die fleißige Schreiberin doch noch keine fünf Jahre alt. Dass das Kind zudem bereits flüssig lesen konnte, verwunderte manchen. Aber was sollte ich auch tun, da ich umgeben von Zeitschriften und Comics aufwuchs und mich beschäftigen musste, war Kundschaft im Geschäft? Ich las. Und schrieb. Märchen für den kleinen Bruder, später seitenlange Aufsätze und Artikel für die Schülerzeitung. Der Deutsch-Leistungskurs war eine Selbstverständlichkeit und neben Geschichte das einzige Fach, in dem ich wahrhaft zu glänzen verstand. Aber bitte, darüber muss nicht zu ausführlich gesprochen werden; es ist ja auch schon ein Weilchen her.

Über viele Jahre hinweg war das Schreiben vergessen; zu vieles tat sich: Da gab es die Fast-Weltumrundung auf einem sowjetischen Kreuzfahrtschiff, die Monate in einem winzigen Dorf im Schwarzwald und die Jahre auf der schönen Insel Norderney – all das im Dienste der Schönheit und meiner klugen Kundinnen, die mir, der vom Schreiben nur Träumenden, von Kindheiten im Kaiserreich, dem Alltag in einer Diktatur und dem Aufbau einer neuen Welt erzählten und dabei selten mit persönlichen Erkenntnissen sparten. Es redet sich leicht, viel und vertraut in einer Kosmetikkabine. Und wohl deshalb auch, weil Frauen mich an so vielem haben teilhaben lassen, spielen sie meist die Hauptrolle in meinen Romanen: Weibliches Leben war und ist spannend, aufregend, romantisch, abenteuerlich, witzig und besonders.

Zurück in Bonn ging es in die Selbstständigkeit und wieder hinaus, es fand sich der Mann fürs Leben und – trotz zweier Söhne, zweier Katzen und zweier Hunde – mit knapp fünfzig Jahren endlich auch die Zeit, all die Geschichten der Figuren aufzuschreiben, die seit langem schon mit mir lebten. Still und heimlich zunächst notierte ich hier und da eine Anekdote, eine Idee, selten mehr als vier oder fünf Seiten, die ich meist später wieder löschte, um Platz zu machen auf der Festplatte. Die Lust am Fabulieren und Erzählen lebte ich ja in meinem Blog aus, in dem ich vom Stricken, Nähen und Schnittzeichnen sprach, von Farbe und Stil und Selbstwahrnehmung. Daraus ergab sich eine Zusammenarbeit mit dem Frechverlag, für den ich zwei Modebücher mit Texten versehen durfte. Diese Erfahrung und die positiven Rückmeldungen gaben den Ausschlag: Endlich durfte mein Fräulein Schumacher hinaus in die Welt. Dass die junge Dame nicht nur einen Kriminalfall, sondern noch viele weitere zu lösen haben würde, ahnte ich nicht. Ich schrieb einfach los und danach schrieb ich weiter, ich wusste noch nichts von Lily DuPlessis oder Professor Olivero und nie hätte ich zu träumen gewagt, ich werde einmal Jane Austen persönlich in einer meiner Geschichten auftreten lassen.

Ja, und nun kann ich nicht mehr aufhören: Ob Fantasy oder historischer Kriminalroman, ob zeitreisende Leserin oder aufdringlicher Reporter – täglich zwingt mich eine Idee zur Fron an der Tastatur und meine Gestalten reden mir sehr erfolgreich ein, es könnten die Wollmäuse den Haushalt ebenso gut erledigen wie ich. Dieser Beweis allerdings steht noch aus.