Queen Charlotte – eine Bridgerton-Geschichte

Besprechungen gibt es bei mir ja eher selten; gelegentlich habe ich mal Tipps für Romane und Serien gegeben, weiß aber gerade gar nicht, ob die noch im Blog sind. Manches, was ich vor Jahren empfohlen habe, ist mittlerweile vielleicht nicht mehr zu finden. Daher ist das heute eine kleine Premiere.

Aber ich habe bislang vier Folgen der Netflix-Serie angeschaut und muss einfach mal sagen: Ich liebe dieses Spin-Off rund um Queen Charlotte und King George. Es ist liebevoll inszeniert, bunt und lebendig und für meinen Geschmack ist alles richtig gemacht. Gut, die historischen Fakten dienen eher als grobe Vorlage denn als Richtschnur und bestimmt werden sich anderswo Menschen darüber streiten, ob die echte Charlotte von Mecklenburg-Strelitz eine schwarze Frau war, aber darum geht es im Grunde nicht.
Oder doch ja, darum geht es schon. In dieser Serie nämlich, bei denen die Schöpferin es für nötig hielt, vorweg einzublenden, dass sie mit der Historie sehr frei umgeht und man sich doch bitte einfach gut unterhalten fühlen möge. Das ist sicherlich eben diesen endlosen Debatten geschuldet, die sich um die Hautfarbe des Casts dreht. Da wird dann von Geschichtsklitterung und wokem Terror gesprochen, weil auf gar keinen Fall irgendein Lord zu Zeiten Jane Austens schwarz war. Oder von asiatischer Abstimmung. Und dass man deshalb den Schund nicht gucken können, weil man zwar nicht rassistisch sei, aber doch korrekte Historie wolle. Weil das ja auch genau der Anspruch ist, an dem sich Historienfilme messen lassen wollen. Da werden dann zwar mit Wonne Serien wie ‘The Tudors’ oder ‘Reign’ geschaut, obwohl dort absolut nichts stimmt – Kostüme, zeitliche Abläufe, verwandtschaftliche Verhältnisse, Alter oder sogar Aussehen der Protagonisten – aber taucht eine farbige Figur auf, geht das Abendland unter. Dabei handelt es sich bei den bemängelten Serie nahezu immer um Romanverfilmungen, die mit der Realität eh nichts zu tun haben. Ob es nun die (aus ganz anderen Gründen unsägliche) Verfilmung von ‘Überredung’ ist oder eben diejenige der Bridgerton-Romane (denen ich eigentlich nichts abgewinnen kann): Man regte sich über die Besetzung auf, die völlig falsch sei.

Darauf geht die neue Serie ein. Finde ich. Queen Charlotte wird also zur schwarzen Frau gemacht, umso eine wirklich wunderbare und spannende Geschichte zu erzählen, die die eigentliche Serie – Bridgerton – quasi erklärt und in Kontext setzt. Wir wissen nun, warum es in dieser viel besseren Regencywelt schwarze Lords und Ladies gibt, die wie alle anderen Kleider tragen, die es so ja auch nie gegeben hat. Ich halte das für einen sehr cleveren Schachzug, der aber mehr ist als nur der Versuch, Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen – was ja eh nie gelingen wird.

Die Darstellerin der Queen Charlotte ist wunderbar, der Schauspieler, der ihren Mann spielt, nicht weniger. In diesem bunten Märchen spielen sie frisch und überzeugend, dass ich gestern trotz des schönen Wetters nicht noch einmal vor die Tür gegangen bin. Muss man auch erst mal schaffen. Die Zeitsprünge zwischen etwa 1760 und 1815 verknüpfen die eigenständige Erzählung um Charlotte geschickt mit Bridgerton und machen so auch wieder Lust auf den Fortgang der eigentlich Serie. Wobei ich sagen möchte: Die erste Staffel mochte ich nicht sonderlich; das Pärchen darin verband außer Sex im Garten, im Wald, auf der Treppe, auf dem Tisch, im Streit, in Schlafzimmer etc. etc. etc, nicht vieles, wenn sie auch hübsch zusammen aussehen. Mit dem zweiten Teil war ich dann aber doch zufrieden: mehr Wortgeplänkel, mehr Handlung, weniger Sex, dafür aber in einem erotischeren Kontext (meiner Meinung nach). Ganz ähnlich ist es nun bei Queen Charlotte, wobei ich fast sagen möchte, dass die Gefühlsebene noch einmal intensiver beleuchtet wird. Ich fühle mich also bestens unterhalten.

Zur echten Charlotte: Nein, vermutlich war sie nicht schwarz. Der Umstand wäre von Zeitgenossen oft erwähnt worden. Dasselbe gilt für Beethoven und Kleopatra, bei denen sich die Frage auch immer wieder stellt. Die Zeugnisse sprechen dagegen. Aber wenn wir es ernst meinen mit der Behauptung, wir würden Hautfarben gar nicht sehen, dann dürften schwarze Schauspieler und Schauspielerinnen auch diese Personen spielen, ohne dass das einen Unterschied für die Erzählung macht. So weit sind wir aber noch nicht. Ein Schritt dahin wäre aber, wenn es endlich auch mehr Filme gäbe, in denen nicht nur weiße Persönlichkeiten im Mittelpunkt stehen. Lupin ist ein tolles Beispiel und demnächst soll ein Film erscheinen über Joseph Bologne (googlen, wer den Namen nicht kennt – sehr spannend). Davon sollte es mehr geben. Bis dahin darf man sich aber ungestraft und mit großem Vergnügen Queen Charlotte ansehen. Und sich darüber freuen, dass das 18. Jahrhundert wieder öfter auf dem Bildschirm erscheint – eine aufregende Zeit und eine, in der Frauen mehr Anerkennung fanden als im Jahrhundert danach.