Noch einmal zum Thema Rezensionen


Vor anderthalb Jahren habe ich schon einmal meine Gedanken zu diesem Thema notiert und jetzt drängt es mich erneut, ein oder zwei Worte darüber zu verlieren. Warum? Weil es mich gelegentlich beschäftigt. Ein Aspekt zumindest, auf den ich damals nicht wirklich eingegangen war. Doch von vorne.

Seit ich meine Romane auch bewerbe – was ich damals noch nicht wirklich getan hatte und somit deutlich unsichtbarer war als heute (auch wenn ich nach wie vor ein kleines Lichtlein bin) -, trudeln zwangsläufig mehr Rezensionen ein und ebenso zwangsläufig mehr Ein- oder Zwei-Sterne-Bewertungen. Ich schaffe es mit jedem Roman, in irgendwem den unbezwinglichen Drang auszulösen, mir Ohrfeigen zu verpassen. Ja, ich denke, dass die reinen Sternevergaben anderen Leserinnen und Lesern gar nichts bringen, sondern dass sie nur zwei Aufgaben erfüllen können:

Entweder man vergibt die Sterne am Ende der Lektüre, um die Empfehlungen des Amazon-Algorhithmus zu beeinflussen. Oder aber um der Autorin, dem Autoren freundlich zuzuwinken oder verärgert in die Rippen zu hauen. Letzteres geht mit negativen Sternen besonders gut, wenn das Buch noch neu ist und kaum Rezensionen hat – damit lässt sich der Sterneschnitt drastisch senken, was dann durchaus eine Wirkung darauf haben kann, ob eine andere Leserin nach dem Buch greift (also es anklickt und Klappentext und erste Seiten liest) oder wie Amazon das Buch bei seinen Empfehlungen berücksichtigt.
Damit lässt sich also richtig was anrichten, wenn man Spaß daran hat. Denn mal ehrlich: Wie viele Bücher verdienen nur einen Stern, wenn sie weder sexistisch, rassistisch oder sonst wie diskriminierend sind und nicht mit dutzenden Tipp- und Grammatikfehlern daherkommen? Alles Dinge, die man meist schon bemerken kann, wenn man ins Buch hineinliest. Da ist es vielleicht kein Wunder, wenn die Schreibenden vermuten, man wolle ihnen nur schaden und sie ärgern.

Und vielleicht fühlen sich deren Leser und Leserinnen ebenso vor den Kopf gestossen, wenn andere sich negativ über die Lieblingsbücher äußern. So ein Shitstorm ist leider schnell entfacht und bringt nichts als sehr viele aufgeregte und verletzte Menschen. Nicht schön, also tut man als Schreibende gut daran, die Klappe zu halten, sich in den Schlaf zu heulen und sich von treuen Freundinnen versichern zu lassen, dass es mindestens genauso viele Leserinnen gibt, die einen sehr zu schätzen wissen. Das hilft nicht immer, aber immer wenigstens so weit, dass man (also ich) dann doch weiterschreibe – viel zu oft, nachdem ich mich mit irgendeinem nicht benötigten Kauf tröste. Das muss ich unbedingt in den Griff bekommen, das mit dem Kaufen 🙂

Was ich auch lernen muss: Mir all die Debatten um dieses Thema nicht mehr durchzulesen, denn das tut mir nicht gut. Da gibt es so viele Aussagen, die sich widersprechen und die mich zum Einmischen verlocken könnten. Was ich nicht will. Und jetzt irgendwie tue. Hier, in meinem virtuellen Wohnzimmer.

Man liest ja immer wieder, was ich oben schon schrieb: Rezensionen sind für Leserinnen, nicht für Autorinnen. Aber ich persönlich kenne keine Leserin, die Rezensionen entweder liest oder aber als Entscheidungsgrundlage für einen Kauf verwendet (kann auch sein, es gibt keine zu). Dagegen kenne ich kaum eine Autorin, die nicht doch immer wieder einmal hineinschaut und sich nachher mies fühlt. Aber darauf wollte ich nicht hinaus. Was mich so erstaunt, ist der Fakt, dass viele der Rezensentinnen zwar sagen, sie schrieben für andere Leserinnen, aber doch immer wieder Fragen, Lob und Vorwürfe jeder Art formulieren, die direkt an die Autorin gehen. Was ihr gutes Recht ist, doch mich insoweit verunsichert, als ich nicht weiß, worauf ich würde reagieren dürfen und worauf nicht.

Doch auch das ist nicht, was mich so sehr beschäftigt, sondern eine Aussage, die mich richtig triggert: Früher oder später fällt der Satz, man müsse als Autorin, die sich ja immerhin freiwillig in die Öffentlichkeit gestellt habe, mit all dem klarkommen, was sie so über sich zu hören bekommt. Tough muss man sein, man darf sich nicht über einen schnippischen Ton, eine persönliche Beleidigung oder als ungerechtfertigt empfundene Kritik aufregen oder mit Jammerei darauf reagieren, denn das zeige ja nur eines: Dass man für diesen Beruf nicht gemacht sei. Wer nichts Negatives über sich hören will oder ehrliche Kritik und lässige Vernichtung des eigenen Romans nicht ertragen könne, der dürfe eben nicht veröffentlichen. Zack.

Ich kenne diese Aussage schon aus meinen Blogjahren – da glaubten manche ja auch, gleich Zensur schreien zu müssen, wenn eine Bloggerin einen Kommentar nicht freischaltete, weil sie keine Lust hatte, sich öffentlich als blöde Kuh beschimpfen lassen zu müssen, die zu blöd sei, Röcke zu nähen, die ihr stünden, oder als faule Sau, die lieber ihr Haus putzen solle, anstatt einen Pulli nach dem anderen zu stricken. Und das waren die harmlosen Kommentare, die gelegentlich eintrudelten. Und auch sie wurden begründet mit der angeblichen Öffentlichkeit, die man ja aus Eitelkeit und Sucht nach Aufmerksamkeit suche. In einer kleinen Nische des Internets übrigens. Kennt man ja, all diese Modellflugzeugbauer, die nur deshalb bloggten, weil sie die Herrschaft der Welt anstrebten 😀

Bin ich also der Meinung, man dürfe nur Nettes sagen und schreiben oder den Mund halten? Au contraire. Doch was ich wissen möchte: Wollen diejenigen, die meinen, eine Autorin habe jede Kritik mit Würde zu ertragen (und sie sich so zu Herzen zu nehmen, dass sie nur noch schreibt, was man sich wünscht), denn wirklich nur noch Romane von Menschen lesen, die so kalt und gleichgültig sind, dass sie nicht reagieren? Ganz klar, ich denke auch, man sollte als Autorin nicht anfangen, mit einer Leserin zu streiten, die ihr Buch nicht leiden kann und dazu gute Gründe liefert, warum das so ist, aber wenn es dann irgendwann einmal zu viel wird und die betreffende Autorin doch auf etwas eingeht, weil sie sich missverstanden fühlt oder weil sie sich politisch engagiert oder weil das Thema in ihrer Schreiberinnenbubble aktuell ist – was also auch immer, dann sollte sie das genauso tun dürfen, wie es die Rezensentin tat. Weil sie eben ein Mensch ist, der Frust und Ärger und Zurückweisung spürt und sich das von der Seele schreiben möchte. Das sind die Gefühle, die sie hoffentlich dazu befähigen, gute Romane mit echten Figuren zu schreiben.

Was ich sagen will: Ich als Leserin möchte keine Romane von knallharten, gefühlskalten und berechnenden Autoren lesen, denen keine Kritik was kann, und deshalb formuliere ich meine Kritik meist so, dass sie keine Krise auslöst. Und als Autorin würde mir nie einfallen, eine Rezensentin für ihre Meinung blöd anzugehen, nur weil sie sich damit ja immerhin auch in die Öffentlichkeit gewagt hat und somit in den Augen mancher Freiwild geworden ist. Ich würde mir halt nur wünschen, dass wir alle viel netter miteinander umgingen und uns mehr Gedanken darüber machen, wie wir unsere Lektüre oder unsere Zielgruppe auswählen. Gerade in diesen Zeiten, in denen die Nerven blank liegen und genügend Ängste auf uns lauern. Wenn ich keine unblutigen Krimis mit einer Heldin lesen möchte, deren Zeit, Leben und Ansichten eine wichtige Rolle spielen, dann lasse ich die Hände von solchen Büchern und beschwere mich nicht darüber, dass es zu wenig Mord und Totschlag gibt. Und wenn ich als Autorin solche Leserinnen nicht anziehen will, dann bemühe ich mich, das mit Cover, Klappentext und Werbung deutlich zu machen. Wildere ich aber im Thriller-Genre, dann darf ich mich nicht wundern.

Ja. Das musste mal raus. Genauso wie das hier: Was ich wirklich sehr genieße, das ist der direkte Kontakt mit Leserinnen – immer habe ich ganz schnell das Gefühl, mit einer Freundin zu reden. Kein Wunder, wir haben ja so einiges im Laufe einer Geschichte geteilt und das schafft irgendwie eine ganz eigenartige Vertrautheit. Leserunden, Mails, Instagramkommentare oder eben eine positive Rezension einer Fremden: Das sind die Dinge, die mich sehr, sehr glücklich machen und mich über anderes hinweg heben. Danke dafür!