Immer wieder unsicher


Gestern habe ich den letzten Satz in Emmas dreizehntem Fall geschrieben und auch gleich mit dem Gegenlesen und Korrigieren begonnen; knapp die Hälfte hatte ich schon vor zwei Wochen bearbeitet und habe nun noch sieben Kapitel vor mir, die ich morgen und übermorgen schaffen möchte. So weit, so gut und man möchte doch meinen, dass ich mittlerweile nicht nur Routine im Schreiben und Bearbeiten habe, sondern mir vielleicht auch ein gewisses Selbstbewusstsein als Autorin zugelegt haben sollte; immerhin habe ich nun bereits 39 Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht.

Ja. Hmm. Also. Tja. Was soll ich sagen? Offenbar nicht. Nicht so ganz. Natürlich weiß ich mittlerweile, dass ich mich auf mich verlassen kann, wenn es darum geht, einen Roman zu Ende zu bringen und das auch in der Zeit, die ich mir vorgenommen habe; ich habe ja das große Glück, Vollzeit schreiben zu dürfen (Also wirklich die volle Zeit: Ich arbeite täglich, auch an den Wochenenden, und selten weniger als zehn Stunden, wenn ich die auch unterschiedlich produktiv und eifrig verbringe). Pandemie, Krieg und Klimakatastrophe, die privaten Unglücke und Unfälle machen wir zwar zu schaffen, aber umso mehr neige ich dazu, mich in meine erfundenen Welten zu begeben. Darum bin ich froh und ich hoffe sehr, dass es der einen oder dem anderen da draußen auch gelingt, Ablenkung zu finden, wenn sie oder er in eben diese Welten eintaucht; das wäre schön, darum geht es beim Schreiben ja, nicht nur um das eigene Vergnügen oder Seelenheil.

Ich liebe meinen Beruf also und das mit allem, was dazu gehört. Das einzige, was mich gelegentlich belastet – also immer dann, wenn ich kurz vor der Veröffentlichung stehe und somit meine Arbeit, meine Fantasie und meine Welt fremden Augen übereigne:
Ist die Geschichte gut genug?
Ergibt sie Sinn?
Wird man meine Figuren mögen?
Enttäusche ich wieder einmal die üblichen Erwartungen an das Genre?
Oder ist es genau das, was meine Leserinnen und Leser mögen? Mögen sie es auch dieses Mal? Oder habe ich es übertrieben?
Habe ich mich überfordert?
Sollte ich nicht stärker nach dem Markt schreiben? Kann ich das überhaupt?
Wird es nicht langsam langweilig?

Diese Liste könnte ich noch seitenlang fortführen und ganz schnell käme ich dann auch dazu, über Persönliches zu sprechen. Über den Druck, den ich mir mache, weil ich doch gerne bitte all meine Ideen zu Lebzeiten aufschreiben können möchte (was sich echt ungut anhört, oder?). Ob das Schreiben nicht absolut unnütz ist in Zeiten wie diesen. Wie peinlich mir noch immer das Marketing ist. Wie ungeduldig ich bin.
Und so weiter und so fort.
Aber jetzt und hier in diesem Augenblick und auf diesem Sofa beschäftigt mich eben die Frage, wieso es so schwierig ist, das eigene Schreiben einzuschätzen. Ganz klar ist: Wenn ich irgendeines meiner Bücher wahllos aufschlage und hineinlese, dann geschieht zweierlei. Zum Einen bin ich mitunter sehr erstaunt, dass ich dort etwas lese, was mir gefällt und was ich genauso als Leserin gesucht habe (was ja auch der Grund war, mit dem Schreiben zu beginnen). Zum Anderen braucht es kaum zehn Zeilen, bevor ich auf etwas stoße, was ich heute anders formuliert hätte. Oder ich finde einen blöden Fehler. Sehr, sehr ärgerlich und leider ist es so, dass das viel mehr Einfluss auf mein schreibendes Selbstbewusstsein hat als die Tatsache, dass mir grundsätzlich gefällt, was ich verfasst habe.
Und so kommt es, dass ich mit immer mehr Erfahrung immer kritischer beäuge, was ich tue, und mich immer öfter frage: Ist das was? Vorzugsweise etwas Gutes? Oder beweisen mir die negativen Sterne (die ich immer, immer, immer erhalte), dass es Mist ist? Und werde ich jemals weniger nervös und ängstlich sein, wenn es ans Veröffentlichen geht? Ich befürchte, eher nicht. Was vielleicht auch ganz gut so ist. Oder?