Hedwig 1882: der erste Band

Aufbruch

Dienstag, 14. September 1897

Dieser Dienstag entschied ihr Schicksal. Wobei Hedwig nicht an das Schicksal glaubte, sonst hätte sie gestern schon geahnt, was kommen würde. Doch alles war gewesen, wie es immer war: nichts als Plackerei und Streit, Streit und Plackerei. Wie jeden Tag hatte sie von morgens fünf bis nachts um elf geschuftet und dafür nichts als Mutters wehleidige Klagen und Vaters betrunkene Beleidigungen erhalten. Und das billige Mitleid der Nachbarn, denen im Grunde gleichgültig war, wie es ihr ging. Würde es sie kümmern, dann wäre schon mal einer von ihnen dazwischengegangen, wenn Vater den Gürtel schwang.
Stattdessen hatten sie Verständnis für ihn und mahnten Hedwig, sein Verhalten zu verzeihen. »Der hattet ja nicht leicht«, sagten sie, »mit dem lahmen Bein und deiner kranken Mutter. Ärger ihn nicht und wenn der mal widder seine zehn Minuten hat, gehste dem aus’m Weg.«
Diese zehn Minuten gab es vor einem halben Jahr noch nicht öfter als jeden Sonntagabend, wenn er in der Kneipe ein Bier zu viel gekippt hatte. Dann hatte Vater rumgebrüllt, mit dem Gürtel geknallt und Hedwig mal am Arm, mal am Hintern erwischt, um plötzlich innezuhalten und erschöpft in der Wohnküche auf der Bank einzuschlafen. Am nächsten Morgen war er verlegen und hatte sich manchmal sogar entschuldigt.
Doch vor fünf Wochen hatte er die Arbeit bei der Bahn verloren und jetzt hockte er nur noch rum und sagte ihr, was sie zu tun habe. Als ob sie das nicht selbst wüsste, besser als er. Der kümmerte sich schon ewig nicht mehr um den Gemüsegarten, ohne den sie niemals über die Runden gekommen wären. Die Kartoffeln und die Bohnen, alles, was auf den Tisch kam, hatten sie Hedwigs Mühe zu verdanken. Mutter half kaum, die deckte höchstens mal den Tisch oder wischte alle Wochen über den Boden. Ja, es ging ihr nicht gut, irgendwas fraß die von innen her auf, das tat Hedwig auch leid, deshalb packte sie ja mit an. Aber es blieb schon lange alles an ihr alleine hängen. Waschen, kochen, putzen, flicken, einkaufen, einfach alles.
Doch lobten die Eltern einmal, wie gut Hedwig den Haushalt am Laufen hielt? Das taten sie nie. Stattdessen beäugte Vater sie misstrauisch, wenn sie die Haare mal anders aufsteckte. Sie solle bloß nicht mit einem Balg nach Hause kommen, hatte er gesagt. Als ob sie so dumm wäre, sich mit einem von den Kerlen einzulassen, die nicht anders waren als er. Die dachten alle nur an sich, hielten sich für schlau und stark und meinten, sie könnten sich alles rausnehmen, wenn sie treuherzig guckten oder mal ein Beet für sie umgruben. Nein, das war nicht, was Hedwig vom Leben wollte.
Als sie heute am frühen Morgen aufstand, da wusste sie, dass sie fortmusste. Jetzt oder nie. Der Arm schmerzte noch, wo Vater sie gepackt hatte; eigentlich tat alles weh von oben bis unten. Vielleicht hätte sie es dennoch nicht gewagt, wenn Mutter nicht weinend auf der Bank gehockt hätte, vor ihr die Geldkassette und eine Flasche Kräuterschnaps, beide leer. Das bisschen Restgeld, das die Familie über die Wochen tragen sollte, bis Vater wieder in Lohn und Brot stünde – futsch war es. Jetzt war er vermutlich wieder mal nach Köln aufgebrochen, um sich aufzuführen wie Graf Rotz. Hoch und heilig hatte der versprochen, das nie wieder zu tun. Bestimmt kam er in zwei oder drei Tagen zurück, mit Blümchen, die er sich nicht leisten konnte, und tausend Schwüren auf den Lippen. Und Mutter würde ihm verzeihen und beide würden sie von Hedwig erwarten, den Schaden wieder gutzumachen mit noch mehr Arbeit.
Aber damit war jetzt Schluss. Endgültig.

So kam es, dass Hedwig gut zwei Monate nach ihrem fünfzehnten Geburtstag ihre wenigen Habseligkeiten in einen schäbigen Koffer packte und den alten Jupp bat, sie auf seinem Karren nach Bonn mitzunehmen.
»Ja sach mal, wat willste denn in Bonn? Musste nicht dem Vater zur Hand gehen?«
»Damit isset vorbei«, antwortete Hedwig und stieg auf den Bock. »Mit Lerzenich bin ich durch, dat fühl ich genau. Nun fahr schon zu, dat du nicht zu spät zurückkommst, sonst macht dir die Else Feuer unterm Hintern.«
»Na, wat nimmste für Wörter in den Mund! Fein ist dat nit!«
»Siehste, dat will ich ändern. Ich werd ein feines Fräulein, aber hier jibb et keine weit und breit, bei der ich mir wat abschauen kann.«
So sehr sie sich auch bemühte, gelegentlich vergaß Hedwig ihr seit Monaten geübtes Hochdeutsch. Oder das, was sie dafür hielt. Seit dem Frühjahr hatte sie auf ihren Plan hingearbeitet. Nachts hatte sie Näharbeiten für die Gattin vom Cuchenheimer Bahnhofsvorsteher erledigt und für den Herrn Pfarrer seine Hemden geplättet. Jeden Pfennig hatte sie gespart und so ein Vermögen von gut vier Mark erarbeitet, das ihr – sicher im Mieder verwahrt – den Start in ein besseres Leben ermöglichen sollte.
Jupp seufzte und stieg auf den Tritt zum Kutschbock. Lächelnd reichte Hedwig ihre Hand, half ihm auf und bedankte sich artig für seinen Beistand.
»Wat willste denn machen in Bonn?«
»Na, in Stellung gehen will ich bei guten Leuten.«
»Haste denn was in Aussicht?«
»Da muss ich mich noch umgucken. Aber der wär ja dumm, der mich nicht in Dienst nimmt, oder? Wat sagen die immer in den Annoncen? Sie wollen eine, die fleißig, tüchtig und fromm ist. Bin ich.«
»Na, dat mit dem fromm …«
»Die zahlen mich ja nicht dafür, dat ich in die Kirche geh! Ich bin stark, ich kann anpacken, ich bin zäh und nicht auf den Kopf gefallen. Und anschauen kann man mich auch, ohne zu erschrecken.«
Der alte Mann musterte seine Gefährtin. Grinste. »Dienstmädchen willste werden? Ausjerechnet du? Andern Leuten die Schuhe putzen und immer Ja und Amen saaren?«
»Und wat mach ich hier? Woanders bekomm ich wenigstens Geld dafür. Du glaubst doch nicht, dat der Vatter mir auch nur einen Pfennig gönnt? Oder dat der seine Dreckslatschen alleine putzt? Nä, du, überall isset besser als hier.«
»Sach«, meinte er, als sie durch die Felder fuhren und Lerzenich hinter ihnen lag, »dat du abhaust, dat hat aber nix mit dem Egon zu tun?«
»Geh mir weg mit dem Tünnes!«
»Also doch, ja?«
»Ach was, der kann mich mal kreuzweise. Ist schon gut, wie es ist.«
Hedwig strahlte und stimmte ein Liedchen an. Als ob der Egon ihr das Herz gebrochen hätte! Wenn der alte Jupp das dachte, dann kannte er sie aber schlecht. Das war ja nur Spiel gewesen, zwei, vielleicht drei Knutschereien. Sie hatte halt wissen wollen, wie das ist, und den Egon fanden alle Mädchen hübsch und nett. Aber nett? Das war doch wohl das Mindeste, dass ein Mann nett war. Und so hübsch war der Egon wieder nicht, als dass sie hätte übersehen können, wie dumm er eigentlich war. Nicht nur ungebildet, so ging es ja vielen hier auf dem Land, wo es keine anständigen Schulen gab und die Arbeit kein Ende nahm. Nein, der Egon dachte gar nicht daran, mal ein Buch zu lesen oder in die Zeitung zu gucken. So einen wollte sie nicht. Sie wollte – irgendwann einmal, wenn sie etwas aus sich gemacht haben würde – einen Herrn finden, der sie nicht nur küssen, sondern auch mit ihr reden wollte. Richtig reden, über alles Mögliche, und so einen, den fand sie nur in Bonn. Einen Beamten vielleicht oder einen Handwerksmeister.
Sie hatte überlegt, ob sie es bis ins große Köln wagen sollte, aber so weit reichte ihr Mut nicht. Einmal nur war sie dort gewesen und hatte es gerade mal die kurze Strecke vom Bahnhof bis zum Dom geschafft. Viel zu viele Leute liefen da rum, laut war es und hektisch. Sie hatte den Kirchenbau bewundert und sich in einer nahegelegenen Kneipe bei einem Kölsch gestärkt, nachdem jemand sie in den Hintern gekniffen hatte. Das war ihr Eindruck von Köln, da wollte sie lieber nicht hin. Die Liese von Gilgens war ja nach Köln gegangen und heute schaffte sie an.
Na, das behaupteten die Leute zumindest. Der Pfarrer führte sie in jeder Predigt als schreckliches Beispiel für das an, was einem Mädchen in der Stadt geschehen musste. Aber was wusste der schon? Der glaubte ja, die Liese wäre fortgegangen, weil sie schöne Kleider wollte und jeden Tag Bier und Tanz. Der hatte keine Ahnung und es würde Hedwig nicht wundern, wenn es der Liese in Wirklichkeit ganz gut gehen würde. Dass man in der Stadt unter die Räder kam, das war doch nur ein Märchen, das die Männer erzählten, damit die Frauen im Dorf blieben und weiterhin schufteten für nix und wieder nix.

Mittlerweile lag sogar Alfter schon hinter ihnen und keine Stunde würde es mehr bis Bonn brauchen. Aufgeregter mit jedem Meter sah Hedwig sich nach allen Seiten um. Sie trabten durch Endenich, das ihr entschieden städtisch erschien, und als ein sehr adrettes Dienstmädchen mit blütenweißer Schürze aus einem ebenso blütenweißen Haus trat, bekam sie Angst vor der eigenen Courage. Sie konnte sich nicht vorstellen, einmal ebenso würdevoll aufzutreten wie die junge Frau. Was hatte sie sich nur gedacht?

Der alte Jupp kutschierte Hedwig bis zum Bonner Marktplatz, wo sie endgültig verstummte und mit großen Augen das barocke Rathaus, die Päädsbahn und den Obelisken bewunderte, um den herum der Markt stattfand. Nur wenige feste Stände gab es; meist hockten ältere Frauen in Voreifeler Tracht zwischen Körben, Schütten und Karren auf niedrigen Schemeln und priesen Gemüse, Blumen und Obst an. Wenn sie nicht über ihre Auslage hinweg feilschten, dann brüllten sie fliegende Händler nieder. Dazwischen wuselten Dienstmädchen, die die feilgebotene Ware kritisch prüften. Feine Herren eilten durch die Menge und fanden doch die Zeit, ihre Hüte zu lüften, freundlich zu grüßen und jungen Fräulein in hellen Kleidern bewundernd nachzusehen. Kinder rannten der Bahn hinterher, spielten Fangen oder trieben schmale Holzreifen mit einem Stöckchen vor sich her, bis sie von eleganten Müttern und strengen Gouvernanten zurückgerufen wurden. Vor dem Hotel Zum Goldenen Stern standen glänzend polierte Kutschen aufgereiht, die gewiss den vornehmsten Gästen gehörten und das Interesse einiger junger Männer weckten. Corpsstudenten flanierten lachend an Königshusaren vorbei, Infanteristen salutierten vor einem Herrn im dunklen Anzug und eine Gruppe älterer Damen schritt mit hochgereckten Nasen Arm in Arm dem Modehaus Blömer entgegen.
All das vermittelte Hedwig ein Bild von Anstand und Ordnung, sprudelndem Leben und glänzender Zukunft. Es war, als wären sämtliche Passanten, Marktfrauen und Kutscher Mitspieler in einem Stück, das lange eingeübt worden war: Niemand drängelte, niemand versperrte willentlich den Weg. Das gefiel Hedwig. Bestimmt war es kein Wunder, dass der Kaiser und sein Sohn so gerne hierherkamen; hier war es herrlich.
Doch vom Bock herunter traute sie sich nicht. Wie schick sogar die Dienstmädchen waren! Sie sah an sich hinab. Da trug sie ihr Sonntagskleid und sah doch aus wie die Landpomeranze, die sie war. Schon wollte sie Jupp bitten, sie heimzufahren, da versetzte der ihr einen liebevollen Schubs.
»Na, nu mach schon, dat wird schon werden.«
Da richtete Hedwig sich auf, gab ihm einen Kuss auf die Wange und stieg ab. Jupp nahm die Zügel auf und war nach einem kurzen Winken hinter der Häuserecke verschwunden.

So war sie nun mitten auf dem Bonner Marktplatz und hielt ihren Koffer fest umklammert. Sie rührte sich nicht, stand wie angewurzelt für die Ewigkeit von einer Minute in dem Durcheinander. Tief atmete sie ein und aus und dachte nach. Daheim in Lerzenich war sie eine von denen, die sich nicht so leicht die Butter vom Brot nehmen ließen, da galt sie als zäh und tüchtig und robust, obwohl sie viel zu klein und mager für ihr Alter war. Wie sie den Kopf hielt und die Nase in die Luft reckte, wenn ihr einer dumm kam, wie sie die ständigen Tiraden des versoffenen Vaters ertrug und all die Arbeit wegschaffte, die die Mutter nicht mehr tun konnte, wie sie sich um den faulen Bruder gekümmert hatte, bis der im Zuchthaus gelandet war, wie sie Tag um Tag mit wenig Speis und Trank auskam, viel Bosheit von den Eltern erfuhr und nach außen hin dennoch stets fröhlich erschien: Das hatte ihr Respekt eingebracht.
Aber jetzt in der fremden Stadt unter fremden Menschen war ihr doch mulmig zumute. Sie wünschte sehr, sie hätte noch warten können mit der Abreise, gerade so lang, bis sie die Stickarbeit für die Katharina fertiggemacht hätte – die hatte ihr ja glatte zwei Mark dafür zahlen wollen! Doch mit Vaters Verrat und wie der gestern Abend auf sie losgegangen war, da hatte alles Warten und Planen ein Ende nehmen müssen.
In Erinnerung an die gestrigen Prügel, die so viel schlimmer waren als in den Jahren davor, legte Hedwig die Hand an die noch immer schmerzende Schulter und fühlte vorsichtig über die geprellten Rippen. Nie wieder sollte jemand so mit ihr umgehen! Niemals wieder! Sie hob den Kopf und wollte sich eben an eine freundlich wirkende Dame mit der Bitte um Auskunft wenden, als sie von hinten einen Stoß gegen die lädierte Schulter erhielt. Einen Stoß so heftig und überraschend, er hätte sie fast von den Füßen gerissen. Empört schrie sie auf und sah sich zwei jungen Herren gegenüber, die mit schuldbewusster Miene auf sie zukamen.
Der Eine, kräftig gebaut, mit dunklen Locken und sonnenverbrannter Haut, bückte sich und hob den Koffer auf, den Hedwig im Schreck hatte fallenlassen. Stumm stellte er ihn vor sie, sah sie dabei kaum an. Der Andere, schlank, blond und so hübsch wie ein Erzengel, fragte mit sanfter Stimme, ob sie sich verletzt habe, und bat, sie möge ihnen verzeihen; sie seien gar zu ungestüm über den Platz gestürmt.
»Aber sehen Sie, gnädiges Fräulein, der alte Petrie hat eine neue Ladung geschickt und die müssen wir unbedingt sehen!«
»Wenn Wiedemann und Schumacher uns reinlassen. Auf jeden Fall sollten wir uns beeilen, bevor alle anderen da sind und wir keinen Platz mehr finden.«
Der Dunkle nahm den Hübschen am Arm und wollte ihn fortziehen, doch der machte sich frei, verbeugte sich förmlich vor Hedwig und bat nochmals um Entschuldigung; ja, er verlangte, sie müsse ihm und seinem Freund Max ihr ungebührliches Benehmen verzeihen, das allein einer doch sehr verständlichen Aufregung geschuldet sei.
»Amarna, ich bitte Sie, wie kann man da noch seine Sinne beisammen halten?«
»Himmel noch, John, du musst der Kleinen keine Vorträge halten. Sie hat doch keine Ahnung, von was du da schwafelst.«
Zwar war der Ton nicht unfreundlich, doch was dieser Max sagte, ärgerte Hedwig. Wenn sie auch wirklich keine Ahnung hatte, wer diese Amarna war, so war das kein Grund, sich erst umrennen und dann beleidigen zu lassen. Sie baute sich vor dem kräftig gebauten Jüngling auf.
»Dat ist mir ja mal ejal, wat Sie vorhaben! Ich hätte mir ja sonst wat tun können, wenn ich jefallen wär!«
Der blonde John sah bestürzt drein und bat ein drittes Mal um Entschuldigung, der Dunkle jedoch stöhnte. »Fräulein, das Herumlungern auf öffentlichen Plätzen ist verboten, daran sollten Sie sich halten. Nur ein Idiot stellt sich mitten auf den Markt und träumt vor sich hin.«
»Idiot?«
»Ein Trottel, ein dummer Mensch, ein -«
»Ich weiß, wat dat ist! Sie nennen mich eine Idiotin?«
John schob sich zwischen Max und Hedwig. »Aber nein, das hat er nicht gemeint. Liebes Fräulein, ich entschuldige mich und gleichgültig, ob Sie standen oder gingen, wir hätten die Augen offenhalten müssen. Es ist allein unsere Schuld.«
»Ja, dat isset auch!«
Mit einem Ruck verbeugte sich Max. »Gut, dann wäre das geklärt. John, los jetzt!«
Noch einmal lächelte John, dann rannte er seinem Freund hinterher.

Hedwig sah ihm nach. Was für ein feiner Mensch der doch war. So hübsch und höflich und umgänglich. Und wie schick der war in seinem hellgrauen Anzug und der bunten Weste, viel schicker als alle Männer, die sie bislang kannte. Jetzt war sie überzeugt: In Bonn würde sie ihr Glück machen, wenn hier solche Kavaliere wie der hübsche John herumrannten. An den dunklen Max hingegen verlor sie keinen einzigen Gedanken.
Und allzu viele auch nicht mehr an John. Sie trat auf eine junge Frau in Schürze und Häubchen zu und fragte, ob diese ihr behilflich sein wolle. Eine Anstellung suche sie und wisse nicht, wohin sie sich am besten wenden könne.
Die Angesprochene besah Hedwig von oben bis unten. »Bist aus der Eifel, was?«
»Lerzenich, wieso?«
»Nie gehört. Vom Land halt. Was kannste denn?«
»Alles, was anfällt. Und wat ich nicht kann, dat lern ich flott.«
»Silber putzen, Meissner Porzellan spülen, Seidenspitze flicken?«
Hedwig zuckte. All diese Dinge hatte sie noch nicht einmal aus der Ferne zu Gesicht bekommen. Sie nickte zögerlich.
»Das lügste doch! Sag mal ehrlich, warste schon in Stellung?«
»Das nicht, aber ich hab den Haushalt für meine Eltern geführt und ich nähe, stricke und sticke für die Nachbarinnen.«
»Hmm. Haste denn dein Dienstbuch schon?«
Hedwig schüttelte den Kopf.
»Das musste bei der Polizei beantragen. Ohne stellt dich niemand ein.« Die junge Frau pustete eine blonde Locke aus der Stirn und sah zur Rathausuhr. »Wenn du mir beim Einkauf hilfst, dann bring ich dich hin.«
Dankbar nickte Hedwig.
»Na denn. Ich bin die Auguste und jetzt lernste gleich mal, bei wem du aufpassen musst und wem du trauen kannst hier auf dem Markt.«