Frauenleben im 18. Jahrhundert


Ups, der Titel verspricht vielleicht etwas viel; mehr auf jeden Fall, als ich in einem schnellen Beitrag liefern kann. Trotzdem möchte ich darüber sprechen, weil mir in den letzten Tagen – im Gespräch mit Freundinnen, Bekannten und Leserinnen – wieder einmal auffiel, was mir schon öfter begegnet ist. Dass wir nämlich

  • im Schnitt gar nicht sonderlich viel von der Zeit zwischen 1700 und 1799 wissen,
  • sie somit als eine Zeit des Unfriedens (Französische Revolution!) und der Ungerechtigkeit begreifen
  • und sowieso dazu neigen, gerade unsere eigene Geschichte – also die Geschichte der Frauen, die noch immer zu wenig Beachtung erhält – als eine Art gleichmäßig aufsteigende Linie betrachten, die irgend wie so verläuft: Sklavin – Hexe – Heiratshandelsgut – Hausfrau und Mutter – emanzipierte Frau heute.

Das ist natürlich scheußlich verallgemeinert und ganz bestimmt liest das jetzt nicht nur eine kluge Frau, die sagen kann: Mich meint sie damit nicht! Tue ich auch nicht. Aber ich habe mich nun während der letzten drei Wochen – und das ist nicht übertrieben, meine Augenringe beweisen es – Tag und Nacht mit dem ausgehenden 18. Jahrhundert befasst und mich dabei auf Kurköln und Frankreich konzentriert ebenso wie auch die Rolle der Frau an diesen Orten.

Und dabei fiel mir auf, wie oft zwischen den Zeilen der weniger guten Artikeln ein Bild entsteht, dass dieses Jahrhundert als unglaublich weit fort von uns zeichnet. Oder einmal anders herum beschrieben: Wie häufig liest man von den Suffragetten als den ersten Frauenrechtlerinnen? Oder vom 20. Jahrhundert als dem Jahrhundert der Frauen? Obwohl ein ziemlich großer Teil der darin enthaltenen Jahrzehnte, obwohl sie uns so nahe sind, alles andere als gut für uns waren? Was die 1920er möglich machten, ist danach erst einmal zurückgeführt worden und dann brauchte es bis in die Sechziger und Siebziger, um ein ähnlich hohes und selbst bestimmtes Ansehen in der Öffentlichkeit zu erreichen. (Und vielleicht wäre jetzt ein guter Moment, um einzufügen, dass die Verbesserungen meist nur einen Teil der Frauen erreicht hat – nämlich diejenigen, die schon unter besseren Bedingungen ins Leben gestartet sind, ob es nun Vermögen, Familie, Hautfarbe oder Neigungen sind).

Um einen Namen wie Olympe de Gouges zu kennen oder Manon Roland, um etwas von Mary Wollstonecraft gelesen zu haben oder auch nur von Sophie von La Roche – nun, dafür muss man sich schon sehr entweder mit der Historie der weiblichen Emanzipation befasst haben. Oder, im letzten Fall, mit der deutschen Literaturgeschichte. Malerinnen, Musikerinnen, Schriftstellerinnen, Schauspielerinnen, Sängerinnen, Politikerinnen und Salondamen: Wenn da mal der eine oder andere Name fällt, kann man schon froh sein, und da ist es vielleicht kein Wunder, dass wir meinen, eine Häufung weiblicher prominenter Personen, je näher wir an unsere Moderne rücken, zeige auch die Zunahme weiblicher Teilhabe an der Gesellschaft.

Jein. Wenn ich in einer früheren Zeit hätte leben müssen, dann würde ich das 18. Jahrhundert gewählt haben und ich hätte wahrhaftig auch Bonn gewählt. Für viele Wissenschaftlerinnen, die sich mit diesem Zeitraum befassen, ist das nämlich das Jahrhundert der Frauen. Nicht überall, nicht durchgehend, das wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein. Aber gerade in Frankreich, das in kultureller Hinsicht Europa noch immer dominierte (wenn auch gerade in Musik, Literatur und Philosophie die deutschen Fürstentümer aufholten und England ja eh sehr eigen war), spielten Frauen eine große Rolle. Wiederum, das sollte nicht vergessen sein, gilt das für die Frauen der höheren Stände, wozu sich aber bald auch schon die Töchter des Bürgertums zählen durften. Der weibliche Einfluss in der Kunst ist beträchtlich; beispielsweise Madame de Pompadour, eine sehr geschickte Frau, was Außenwirkung und Propaganda anging, dazu gebildet, klug und weitaus mehr als ein Betthäschen – nun, sie war eine Mäzenin sämtlicher Sparten der Kunst. Andere Damen führten literarische Salons, in denen die Rhetorik und feiner Witz zu den französischen Talenten herangezüchtet wurde – viele dieser Salons waren das warme Nest, in das die Vordenker der Aufklärer zu gerne hüpften, um sich umsorgen und loben und inspirieren zu lassen.

Was in Frankreich galt, galt ebenso in manchen deutschen Fürstentümern. Nicht in allen, gerade Preußen und Österreich (trotz Maria Theresia) waren, was die Stellung des ‘Weibes’ anging, deutlich weniger fortschrittlich als andere deutsche Länder. Ich kann es nun nur von Bonn sagen und es auch nur aus dem ziehen, was ich in Briefen, Steueraufstellungen und anderen Quellen herausgelesen habe; eine streng wissenschaftliche Aufarbeitung würde das gewiss nuancieren. Aber so sehr auch hier die Vorstellung davon herrschte, wie eine ideale Frau zu sein hatte und wo sie erwünscht war und wo nicht, so war man doch stolz auf Frauen wie beispielsweise die Witwe Koch, die nach dem Tod ihres Mannes den gemeinsamen Gasthof weiterführte und neue Ideen einbrachte.

Der Zehrgarten am Marktplatz war Treffpunkt der Hofmusikanten, des Adels, der Bürgerlichen, der Aufklärer und der jungen Leute (Männer wie Frauen jeglichen Standes) und der Kurfürst Max Franz, ebenfalls ein häufiger Gast, hielt große Stücke auf sie und ihre Tochter Babette, die immer wieder als das Ideal einer Frau beschrieben wird: Schön natürlich, aber vor allem geistreich, gebildet, klug und durchaus eigen). Das mit der Bildung kam nicht von ungefähr, denn ihre Mutter fügte der Wirtschaft einen Buchhandel zu, was noch mehr gelehrte Menschen an ihren Tisch brachte. „Mittelpunkt alles geistigen und geselligen Vergnügens in Bonn“ war ihr Haus. Eine echte Powerfrau muss sie gewesen sein, die drei Kinder großzog und nebenbei noch das Hotel führte und offen mit einem Mann zusammenlebte, den sie nicht heiratete, und dennoch nicht ihres Ansehens verlustig ging. Dass all das möglich war und nicht zu einem Skandal führte, sagt einiges über die Zustände zu der Zeit aus. Fünfzig Jahre später wäre man ihr mit mehr Misstrauen begegnet, denn wahrhaftig galt eine Frau im nachfolgenden Jahrhundert weniger.

Bei meinen Recherchen bin ich natürlich auf viel mehr Frauen gestoßen, die eigentlich einen eigenen Roman verdient hätten. Es sind leider meist nur Streiflichter, die kurz über ihre Existenz gleiten, um sie dann wieder ins Vergessen zu stürzen. Da war Amalie von Mastiaux, hoch begabte Pianistin und natürlich eine Freundin von Babette Koch, der Wirtshaustochter, und von Eleonore von Breuning, der vermutlich großen Lieben van Beethovens. Da gab es die Gräfin Belderbusch, die um 1796 ihrem Mann davon lief, um einen Musiker zu heiraten. Sie konvertierte kurzerhand zum Protestantismus, ehelichte ihren Liebhaber und lebte recht glücklich mit ihm in Wien, wo sie auch Beethoven wieder über den Weg lief, der in Bonn regelmäßig im Belderbuscher Hof zu Gast gewesen war. Die Scheidung vom ersten Mann erfolgte irgendwann später. Der übrigens heiratete dann unsere Babette, die sich wohl liebevoll um seine Kinder gekümmert hatte und diese Liebe dann auf ihn übertrug. Das Glück währte leider nur kurz, denn ihr widerfuhr, was vielen, vielen Frauen widerfuhr, die mir in den letzten Wochen bekannt wurden: Sie starb an den Folgen einer Geburt.
Dieses frühe Sterben betraf wirklich sehr viele Frauen. Ob Kaiserbräute oder Mägde, ob höhere Tochter oder einfache Bürgerin – immer und immer wieder stoße ich auf unglaublich interessante Frauen, die keine dreißig Jahre alt wurden. Dazu gibt es kaum eine Person, die nicht entweder ein Elternteil früh verloren oder den Verlust von Kindern oder Geschwistern zu verkraften hatte.

Damit habe ich mich jetzt allerdings von meinem Thema entfernt, aber da es ja nur ein kurzer Beitrag, eine kleine Plauderei sein sollte, mit der ich zeigen möchte, weshalb ich nun eine Reihe schreibe, deren Zeitrahmen so gar nicht gefragt ist im Augenblick. Das 18. Jahrhundert hat an einigen Orten ordentlich Platz gemacht für Frauen und ihre Lebensentwürfe. Das Heiratsalter übrigens, das finde ich auch interessant, lag bei Mitte bis Ende zwanzig für Frauen und Männer. Eilig hatte man es nicht; diese magische Grenze von einundzwanzig Jahren, die wir bei Miss Austen finden, hatte keine Bedeutung in diesen Jahrzehnten. Vielleicht auch deshalb, weil man wusste, wie leicht die Ehe tödlich enden würde für die geliebte Tochter. Vielleicht aber auch, weil junge Frauen erst einmal an sich selbst arbeiten wollten oder an der Gesellschaft. Auch da kann man noch einmal zu Jane Austen blicken, die ja in dieser Zeit groß wurde und von den Eltern kaum Grenzen gesetzt bekam. Sie durfte lesen, was sie wollte, und wurde ermutigt, sich zu bilden, ihre Meinung zu sagen und sich schreibend auszudrücken. Was ihren Nachfahren völlig verkehrt vorkam. Tante Jane galt der nachgeborenen Familie als gewöhnlich, unerzogen und sogar ein wenig peinlich. Man vernichtete noch mehr ihrer Briefe, äußerte sich abfällig über sie und legte Wert darauf, vornehmer zu sein. Weil die Welt sich verändert hatte und eine Frau bitte schön zufrieden sein sollte mit dem, was ihr Heim bot. Enger war die Welt geworden, enger, kleiner und spießiger und davon befreien wir uns noch immer.