Und das ist in der Tat erstaunlich, wenn wir uns umsehen. Nicht nur unter Klimanotstand und überall sich vermehrenden Nazis haben wir zu leiden, sondern nun auch noch unter einer Pandemie, deren Gefährlichkeit noch nicht recht klar ist.
Vermutlich in wenigen Tagen wird – oder vielmehr muss dank der egoistischen Dummheit zu vieler Mitmenschen – eine Ausgangssperre erfolgen; anders kann man wohl überfüllte Kaffeehausterrassen und Warteschlangen auf Kinderspielplätzen nicht vermeiden. Solidarität, Mitgefühl, Nachsicht sind zu lange schon aussterbende Werte gewesen und wer jetzt noch immer jammert, dass das alles Freiheitsberaubung sei, der hat genau zu diesem Zustand beigetragen.
Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der Raucher zwar überall rauchen durften, es aber nur dann taten, nachdem man sich beispielsweise in einem Restaurant bei den Umsitzenden erkundigt hatte, ob es störe. Und die Umsitzenden wurden nicht angezickt, wenn sie eben keinen Rauch im Gesicht haben wollten. Das änderte sich schleichend, bis derjenige, der höflich bat, doch bitte nicht zu rauchen, als derjenige galt, der sich unmöglich benimmt und zu wenig Toleranz bewies. Das änderte auch erst ein Verbot. Das natürlich aus anderen Gründen erlassen wurde, aber immerhin – es wurde erlassen. Telefonieren am Handy ist ein ganz ähnliches Thema.
Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus, sondern darauf, dass ich zwar keine Freundin von Verboten bin, die Menschheit allerdings auf kaum etwas sonst reagiert. All diejenigen, die nun noch immer klagen, man solle sich doch bitte auf die Vernunft verlassen und dafür sorgen, dass alle Mitbürger und Mitbürgerinnen die nötigen Informationen erhalten, um vernünftig reagieren zu können, diejenigen, die noch immer meinen, Verbote von oben seien fatal und abzulehnen, denn es sei ja doch jeder für sich selbst verantwortlich, denen möchte ich auch nur kurz noch mitteilen: Nein.
In einer Gesellschaft, in der wirklich alle ein gutes Leben führen können, da ist man eben nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern auch für alle anderen. Wenn du am Steuer telefonieren musst, schön und gut, wenn du dann bitte einsam gegen einen Baum fährst und nicht in eine Menschenmasse. Wenn du dir die Lunge kaputtrauchen willst, tu das gerne, aber bitte in einem kleinen Häuschen ohne Nachbarn. Und wenn du meinst, du müsstest dir die neueste Trendkrankheit einfangen, dann tu auch das, aber dann sperr dich ein und belästige niemanden weiter damit. Keiner verbietet dir das. Aber all das willst du natürlich auch nicht, wo bleibt denn da der Spaß?
Aber wieder treibt es mich zu weit fort von dem, was mir eigentlich durch den Kopf geht an diesem Mittwochmorgen Mitte März 2020. Ich habe heute Nacht zum ersten Mal in diesem Jahr bei offenem Fenster geschlafen; Frostbeule, die ich bin, ist das immer ein großer Schritt. Und ich hatte dezent dystopische Albträumen. Aus denen ich – wie im Titel angekündigt – verblüffend fröhlich erwachte. Ich erwache immer dann, wenn es kurz vor hell ist, und für den Großteil des Jahres bleibe ich dann geduldig im Bett, damit die anderen drei Bewohner dieses Hauses, die es pünktlich verlassen müssen, das Bad für sich haben. Im Winter ist das kein Problem, im Frühling und Herbst schon, dann kollidieren meine und ihre Zeiten, während ich im Sommer lange vor ihnen fertig bin. Heute aber stand ich um sieben Uhr unter der Dusche, die Sonne schien durchs Fenster, es blüht überall, die Vögel singen, es ist herrlich.
Und, so seltsam es klingt, das Herrliche daran ist die Gewissheit, nicht rauszumüssen, nichts zu verpassen, wenn ich drinnen bleibe, das tun zu dürfen, was ich immer schon am besten konnte: Mich im Haus zu beschäftigen und das ohne schlechtes Gewissen, sondern mit einem guten Gefühl. Dazu kommen – vor allem für mich Superpessimistin – positive Gedanken. Gedanken, die andere auch schon äußerten und mit Fakten untermauerten oder mit romantischen Gefühlen. Wie die Welt zwangsentschleunigt wird, wie in dieser Katastrophe Neues und Gutes entstehen kann und Falsches sich selbst vernichtet. Man sieht, wer Antworten hat in dieser Krise und wer nichts zu bieten hat, man denkt darüber nach, was wichtig ist und was künstlich und verkehrt sein könnte, man erlebt, wie jetzt schon das Klima aufatmet und Tiere sich Platz zurückerobern.
Doch nicht nur solche hehre Überlegungen kommen mir, sondern auch wirkliche Schaffenskraft und dabei mehr Ruhe. Ich werde jetzt gleich meinen vor einigen Wochen gekauften Schreibtisch abschleifen, damit das Arbeiten daran noch mehr Spaß bereitet. Ich lasse mir Zeit, bevor ich mit dem nächsten Olivero beginne, ich habe ohne schlechtes Gewissen noch einmal Cover und Klappentexte überarbeitet, ich genieße die kurzen Spaziergänge mit den Hunden wieder, wenn wir eine Viertelstunde um den Block gehen und dabei niemandem begegnen, ich fühle mich – vielleicht nur heute – ein wenig mehr bei mir angekommen, denn das ist eine Person, die ich doch auch sehr aus den Augen verloren hatte mit den Jahren. Klar, es wird bestimmt wieder Streit geben, wenn ich die Söhne an ihre Hausaufgaben zwingen muss und der Gatte wird wieder meinen, ich solle ihm keine Aufgaben geben, aber so what? Das ist einmal eine Situation, aus der man durchaus noch das Beste machen kann: Im Jetzt bleiben und lesen, Filme schauen, Sport machen, umräumen, alle Kleider anprobieren, aufmunternde Memes erstellen und verbreiten, mit Freundinnen telefonieren.
Bleibt bitte gesund und verfallt nicht in Panik. Und wenn ich das kann, dann auch jede andere.