Edward Sinclairs Brautschau

Edward Sinclair, Herr von Manhey Manor, besitzt zwar kein schönes Vermögen, dennoch ist man allgemein der Meinung, er benötige dringend eine Frau. Eine Ansicht, der er sich nicht grundsätzlich verweigert, verspricht er sich doch Aufmunterung, Unterstützung und einiges mehr von solch einer Gattin. Eine sanfte Person stellt er sich vor, hübsch anzusehen, gebildet, klug, charmant.
Hübsch, gebildet und klug ist Miss Elizabeth Fielding unbedingt. Zu gerne wäre er mit ihr alleine, doch auch zwei andere junge Damen benötigen seiner (widerwilligen) Aufmerksamkeit. Und als ob es der Ablenkung damit nicht genug sei, mischt sich auch noch Charlotte ein. Sie nämlich ist überzeugt, besser zu wissen als er, welche Dame zu ihm passt und welche nicht …

Dieser Band schließt an Von Traumwelten und Gentlemen an, kann jedoch auch einzeln gelesen werden. Charlotte, die Zeitreisende, erlebt dieses Mal als Zuschauerin die Liebeshändel der Damen und Herren des Regency und kann sich eines gelegentlichen Kommentars nicht enthalten.


Mrs. Leigh-Foster bittet um Gehör


Das also bin ich: Mrs. Fitzdarcy Leigh-Foster. Oder ganz einfach Charlotte. Meinethalben auch Lottchen, wenn es denn sein muss. Muss es aber bitte nicht. Doch das wissen Sie bereits; Sie waren dabei, als ich – durch welche Kräfte auch immer – im Jahr 1813 landete. Sie haben erlebt, wie ich meinen Fitzdarcy fand und wie es kam, dass er und ich und unser Sohn Sebastian zwischen zwei Zeiten reisen.
Ach was, Zeiten! Welten sind es, zwei vollkommen unterschiedliche Welten, und mir graust nun schon vor dem Tag, an dem wir unserem Kind das werden verständlich machen müssen. In unserer Gegenwart wird er vermutlich bald schon in abgewetzten Jeans im Dreck wühlen und sich abends auf Pippi Langstrumpf oder das Sandmännchen freuen, um dann bei meinem Bruder vor zweihundert Jahren mit einem Holzpüppchen zu spielen und artige Verbeugungen zu erlernen. Nun ja, noch kann er nicht einmal sprechen und ob er die Verkäuferin hinter der Käsetheke anlächelt oder Mistress Bartlett unter ihrer Haube, ist ihm herzlich egal. Er lächelt übrigens ganz entzückend und sowieso ist er das schönste Baby! Wenn er –
Doch nein, halt, stopp, genug. Um Sebastian geht es nicht und auch nicht um Fitzdarcy und mich. Ich werde nicht erzählen, wie kompliziert es ist, als Dame der Regentschaftszeit zu erscheinen, und wie wir zu allerlei Tricks greifen müssen, um mit der Kutsche anzureisen, obwohl wir in unserem Pea Pod Cottage landen, das keine Meile von Manhey Manor entfernt ist. Angeblich leben wir in Cornwall und wir haben unendlich viele Ausreden auf Lager, weshalb man uns nicht besuchen kann. Aber wie gesagt, darum geht es diesmal nicht.
Um meinen Bruder geht es. Um Edward Adam Sinclair, Esquire, Herr von Manhey Manor. Und darum, wie es sein kann, dass ein Gentleman von Bildung, Herzensgüte und blendendem Aussehen sich eine Braut wünscht, aber nicht so recht in Schwung kommt. Genauso, wie ich von Mr. Darcy träumte, so hat er eine heimliche Vorliebe für Elizabeth Bennet. Und das, obwohl er schlagfertigen Frauen gerne einmal schroff gegenüber tritt.
Nun könnte ich sagen, das wird sich schon ergeben bei all seinen Qualitäten, aber so leicht ist es nicht. Sehen Sie, das Problem ist: Ich weiß genau, wen er eigentlich hätte heiraten sollen. Also nicht deshalb, weil es mir so gefällt, sondern weil sein Urahn, zu dem er geworden ist …
Hmm, das erklärt sich nicht so leicht, muss ich zugeben. Na, aber Sie erinnern sich auch daran noch. Also daran, wie aus David Sinclair sein eigener Vorfahre Edward Sinclair geworden ist, den es sonst gar nicht gegeben hätte. Was bedeutet hätte, es hätte auch David nie gegeben. Und hätte es ihn nicht gegeben, dann hätte er nicht zurückgehen können, um …
Ähm, ja. Verständlicher war das jetzt auch nicht. Aber besser bekomme ich es nicht hin. Wissen Sie was? Wenn Sie sich daran nicht erinnern können, dann spielt es keine Rolle, denn Edward weiß davon auch nichts mehr. Der Edward Adam Sinclair, der mich seine liebe Schwester nennt und mit Begeisterung Onkel ist, hat keine Ahnung mehr von der Zukunft. Er ist ganz das, was er allen erscheint:
Ein Gentleman im Besitz eines noch immer recht ramponierten Anwesens, der mit gelegentlichen Boxwettkämpfen Geld verdient für neue Fenster und andere Reparaturen. Ein Gutsbesitzer von Stand, der keine Angst davor hat, sich die Hände schmutzig zu machen, um seine Vision eines erfolgreichen Unternehmens zu verwirklichen. Ein Mann, der fantastisch aussieht (Ja, ich weiß, das erwähnte ich bereits, aber ehrlich, in seinem Falle kann man es nicht oft genug erwähnen!) und zu Pferde wie im Ballsaal eine stattliche Figur abgibt. Ein Herr auch, der sich vermählen möchte und in Sachen Brautwerbung etwas …
Nun ja, das werden Sie erleben. Lassen Sie mich nur noch etwas zu seiner zukünftigen Gemahlin sagen: Diese Dame nämlich hinterließ Tagebuchaufzeichnungen, die sich wandelten, nachdem David zu Edward geworden war (Nein, ich versuche nicht noch einmal, das Paradox zu erklären, keine Sorge). Nach diesen Unterlagen hätte er im November 1813 eine Miss Nigella Sanders zur Frau nehmen und mit ihr eine glückliche Ehe führen sollen.
Das aber ging schief, weil ich plötzlich wieder in die Zukunft geschleudert wurde und die Geschichte sich änderte. Zwar fand ich einen Weg zurück, aber dennoch: Miss Nigella Sanders ist uns bislang nicht begegnet.
Wieso, weshalb, warum – ich weiß es nicht. Was ich aber zu wissen glaube: Selbst, wenn diese Dame irgendwann erscheinen sollte, bedeutet das noch lange nicht, dass sie und Edward ein Paar werden. Es kann sogar sein, dass eine andere viel besser zu ihm passt, einfach, weil das vorgesehene Zeitfenster sich geschlossen hat. So ist das mit Fristen, man kennt das ja. Ob Finanzamt oder Zeitreise, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Was ich aber nicht zulassen werde. Also das mit der Strafe. Denn Edward ist ein feiner Kerl trotz seiner gelegentlichen Arroganz. Oder um es deutlich zu sagen: Er ist verdammt noch mal ein echter Darcy!
Ja, freuen Sie sich nur nicht zu früh. Ein Traummann mag er sein, aber ob das die richtige Frau gleich merken wird? Glauben Sie mir, das wird ein schönes Stück Arbeit, die passende Braut so lange bei Laune zu halten, bis sie erkennen kann, wie wunderbar mein Bruder hinter seiner überheblichen Art ist. Aber wenn das gelingt, dann werden die beiden so glücklich, wie ich es mit meinem Fitzdarcy bin.
Und deshalb haben Fitzdarcy und ich uns auf drei Wochen bei Edward eingeladen. Drei Wochen, in denen ich zum ersten Mal ohne meinen Sohn sein werde, der in Bonn von Oma und Opa verhätschelt wird, während ich auf Brautschau gehe, um meinem Bruder die beste und klügste und schönste Gemahlin zu verschaffen, die er sich nur wünschen kann.