Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass Cliffhanger ein hinterhältiges und verabscheuungswürdiges Marketingmittel sind, um unschuldige Zuschauerinnen und/oder Leserinnen an die Kette zu legen und sie damit zu zwingen, den nächsten Film, die nächste Folge oder den nächsten Band zu kaufen. Wenn sie es nicht tun, werden sie nie, nie, nie erfahren, wie es ausgeht. Eine Qual sondergleichen.
Also ganz klar: Cliffhanger sind böse! Offiziell sollten sie verboten werden und jede Autorin, die diesen heimtückischen Trick anwendet, sollte bestraft werden. Indem man beispielsweise die nächste Folge nicht kauft, nicht leiht, nicht liest. Ha! Das hat sie davon! Das wird sie sich merken!
Was kann ich sagen? Mea culpa vielleicht? Sorry? Oder vielmehr: Sorry, not sorry?
Hmm. Warum bin ich so verstockt? Vielleicht, weil ich denke, dass sie manchmal nötig sind? Sind sie nämlich. Aus einem ganz einfachen Grund: Irgendwann muss ein Buch ein Ende haben.
Ja, ha, könntest du nun sagen, dann schreib halt ein Ende. Ein Cliffhanger ist, bitte schön, keine Ende, sondern die Aussicht auf mehr.
Da sage ich zweierlei:
- Die Aussicht auf mehr – das ist doch eigentlich schön, wenn du die Geschichte genossen hast und die handelnden Personen magst.
(Und wenn du die Geschichte nicht mochtest, dann solltest du gar nicht erst bis zum Cliffhanger gekommen sein, denn warum Zeit verschwenden mit einem Buch, das dich nicht mitnimmt? Mit Figuren, die du nicht erträgst? Ereignissen, die dich nerven?) - Und wenn es nicht nur eine Buchreihe ist (also nahezu alleinstehende Romane, die lose miteinander verbunden sind), sondern eine Serie, dann gibt es eben neben dem Plot des einzelnen Bandes auch den serienübergreifenden Plot.
Heißt, die Hauptfigur hat eine eigene Geschichte, die sich im Laufe mehrer Folgen entwickelt und erklärt. Sie hat Geheimnisse, Hoffnungen, erlebt Gefahren und Freudiges, nimmt uns mit in ihr Leben. Und da mag es sein, dass ihre Story genau dann zu einem wichtigen Punkt kommt, wenn die Handlung des einzelnen Buchs an ihr Ende kommt. Da ist er dann: Der Cliffhanger.
Und zwar ein Cliffhanger, der einfach sein muss. Weil er Überleitung zur nächsten Folge ist. Weil alle anderen Fragen geklärt sind. Weil ein Buch nicht unendlich lang sein kann. Weil die Autorin auch mal durchatmen muss. Und weil es im Miteinander zwischen Leserin und Schreiberin doch auch immer ein bisschen Spiel geben sollte. Da sitzen wir nämlich nun beide, schauen uns erwartungsvoll an und fragen uns:
Was passiert denn jetzt?
Tja. Das ist ein bisschen wie Weihnachten in der Kindheit: ganz viel Ungeduld, herrlich aufregende Spannung, ein bisschen Spicken und Stöbern und dann endlich das ersehnte Geschenk, das hoffentlich genau das bringt, was man sich erhofft hat. Im Idealfall den nächsten Cliffhanger …