Ups, der Titel verspricht vielleicht etwas viel; mehr auf jeden Fall, als ich in einem schnellen Beitrag liefern kann. Trotzdem möchte ich darüber sprechen, weil mir in den letzten Tagen - im Gespräch mit Freundinnen, Bekannten und Leserinnen - wieder einmal auffiel, was mir schon öfter begegnet ist. Dass wir nämlich im Schnitt gar nicht sonderlich viel von der Zeit zwischen 1700 und 1799 wissen, sie somit als eine Zeit des Unfriedens (Französische Revolution!) und der Ungerechtigkeit begreifen und sowieso dazu neigen, gerade unsere eigene Geschichte – also die Geschichte der Frauen, die noch immer zu wenig Beachtung erhält – als eine Art gleichmäßig aufsteigende Linie betrachten, die irgend wie so verläuft: Sklavin – Hexe – Heiratshandelsgut – Hausfrau und Mutter – emanzipierte Frau…
Nun ja, das kann natürlich nur Einer sein: Ludwig oder auch Louis, wie er im damaligen Bonn oft genannt wurde, von Beethoven. Über ihn kann man mit Leichtigkeit so ziemlich alles finden, was interessiert. Was mich aber interessiert, ist seine Rolle in Luises Geschichte. Zunächst einmal ist es für ein absoluter Glücksfall, dass er in Bonn geboren und aufgewachsen ist und bis zu seinem zweiundzwanzigsten Jahr hier lebte. Auch, dass er sich immer zurücksehnte an die Stadt am Rhein, freut mich. Nicht nur als nachgeborene Mitbürgerin, sondern weil er es mir so recht leicht macht, mich so weit in ihn hineinzufühlen, dass er als Nebenfigur durch meinen Roman huschen darf. Viel großartiger aber ist, dass seine spätere Berühmtheit dafür sorgt, dass ich vieles über…
Ok, ich kann es nicht länger verbergen: Meine Heimatstadt ist fast immer auch Schauplatz meiner Romane. Die eine oder andere hat das vielleicht schon gemerkt. Warum ist das so? Bin ich so heimatverbunden? Ist meine Familie so fest in dieser Stadt verwurzelt? Bin ich in einem Stadtverein oder sponsert mich die Bürgermeisterin?Nein. Nichts davon. Ich bin hier geboren und aufgewachsen und hierher zurück gekommen. Ich fühle mich hier wohl, ich mag die Landschaft und die Leute und mittlerweile hört man meinem Tonfall deutlich an, woher ich komme (was ich gelegentlich erschreckend und bedauerlich finde, war ich doch immer sehr hochdeutsch). Meine Eltern kamen aus Köln und Lindau, Vereine sind nichts für mich und leider gibt mir auch niemand Geld dafür, Bonn und seine Geschichte…
Wie immer gibt es das erste Kapitel und wie immer darf es noch voller Tippfehler sein und sich später noch einmal ändern. Aber es ist geschrieben und es ist hier. Januar 1789 - Bonn Madam Dietz schürzte die Lippen. Das tat sie stets, wenn sie unzufrieden war. Das hatte sich vor vielen, vielen Jahren auf der Bühne bewährt und es bewährte sich noch immer. Ihr Gemahl blickte auf. Lächelte. Was Madam Dietz noch unzufriedener machte, denn sein Lächeln galt nicht ihr, sondern der Tochter, der er verschwörerisch zuzwinkerte.Nicht, dass sie Luise die Liebe des Vaters nicht gegönnt hätte; von solch kindischer Eifersucht war sie weit entfernt. Es störte sie, dass Johan nicht auf ihrer Seite stand. Sie stellte die Teetasse ab. Weniger behutsam, als…
Echte und Fiktive Orte bei Fräulein Schumacher Das Bonn, durch das Emma und Kommissar Wertheim laufen, unterscheidet sich in vielem von dem Bonn, das wir heute kennen. Nicht nur, weil ein komplettes Viertel den Kriegsgelüsten eines Führers zum Opfer gefallen ist und manch anderes dem Geschmack der nachfolgenden Jahrzehnten, sondern auch deshalb, weil ich mir gelegentlich Freiheiten genommen habe darin, wo und wie ich Handlungsorte angelegt habe.In den allermeisten Fällen verwende ich Geschäfte, Lokale und Hotels, die im betreffenden Jahr des Romans existierten. Eine Ausnahme habe ich vielen Tatorten gemacht: Den Salon von Madame Mirabeau beispielsweise gab es so wenig wie das Modeatelier Dezière. Im letzten Tanz habe ich einige Tanzlokale erfunden, da ich in dieser Hinsicht nicht viel finden konnte in dem Recherchematerial,…
Rund um die Poppelsdorfer Allee, die auf das Kurfürstliche Lustschloss und den Botanischen Garten zuführte, entstanden zum Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr Straßen. Wo sich bislang ein Wanderpfad hoch zum Venusberg schlängelte oder auf kaum befestigten Wegen Bauern ihre Waren in die Stadt fuhrwerkten, wurde nun Wohnraum geschaffen für die neu hinzuziehenden Rentiers, die Professoren und Gelehrten, die reicher werdenden Geschäftsleute und Fabrikanten. Auch den niedrigen Adel, Angehörige des in Bonn reichlich vertretenen Militärs und vornehme, ältere Fräulein zog es hierher. Wer sein gutes Auskommen hatte, baute hier oder zog als Mieter in die prachtvollen Neubauten. War man Millionär oder stand der Kaiserfamilie nahe, bevorzugte die Nähe zum Rhein - so blieb man in der Südstadt weitestgehend gut bürgerlich unter sich. Mehr oder…
Der Park nahe am Rhein hatte im Laufe seiner Existenz viele Wandlungen durchgemacht, doch nie war er völlig zu dem geworden, was Kurfürst Joseph Clemens und nach ihm Kurfürst Clemens August im Sinn hatten. Ein Park so prächtig wie in Versailles sollte es werden; es waren Terrassen geplant, Stufen und Wasserwerke, Obstgärten und dekorative Schutzwälle, doch nur die doppelte Lindenallee links und rechts neben den nach französischem Vorbild angelegten Ziergärten und ein Brunnen dort, wo später die Anatomie von Schinkel erbaut wurde, sollten fertiggestellt werden.Nachdem 1777 das kurfürstliche Schloss bei einem fünf Tage andauernden Brand zerstört worden war, fehlte es an Geld für die Gartenanlage; es fehlte so sehr, dass sogar das Schloss nur eingeschossig wieder aufgebaut wurde und sich statt der geometrisch angeordneten…
Aufbruch Dienstag, 14. September 1897 Dieser Dienstag entschied ihr Schicksal. Wobei Hedwig nicht an das Schicksal glaubte, sonst hätte sie gestern schon geahnt, was kommen würde. Doch alles war gewesen, wie es immer war: nichts als Plackerei und Streit, Streit und Plackerei. Wie jeden Tag hatte sie von morgens fünf bis nachts um elf geschuftet und dafür nichts als Mutters wehleidige Klagen und Vaters betrunkene Beleidigungen erhalten. Und das billige Mitleid der Nachbarn, denen im Grunde gleichgültig war, wie es ihr ging. Würde es sie kümmern, dann wäre schon mal einer von ihnen dazwischengegangen, wenn Vater den Gürtel schwang.Stattdessen hatten sie Verständnis für ihn und mahnten Hedwig, sein Verhalten zu verzeihen. »Der hattet ja nicht leicht«, sagten sie, »mit dem lahmen Bein und deiner…
Denken wir an Dienstmädchen, dann kommen uns vermutlich dieselben Bilder und Filme in den Sinn. Wir denken vielleicht an das Haus am Eaton Place oder an Dontown Abbey, wo die Dienstboten im Kellergeschoss ihr eigenes Reich hatten, das streng hierarchisch geordnet war. Wir denken vielleicht an Filme, in denen hübsche Zofen ihre eitlen Herrinnen in enge Korsetts schnürten (und von Korsetts wollen wir jetzt nicht reden, das Faß mache ich ein anderes Mal auf ...) oder in denen noch hübschere Stubenmädchen dem Hausherrn entweder schöne Augen machten oder sich von ihm Frechheiten gefallen lassen mussten. Vielleicht erinnern wir uns auch an Schwarz-Weiß-Filme wie jenen, der die Vokabel 'Gaslighting' schuf und in dem Ingrid Bergman als Hausherrin unter einer intriganten Angela Lansbury als Zofe zu…
Über Jahrhunderte war diese nicht allzu breite Straße einer der wichtigsten Wege vom Rheinufer hin zur inneren Stadt. In der Rheingasse ließen sich gute Geschäfte machen, hier erhielt man vielleicht einige Stunden vor allen anderen Mitbürgern die neuesten Nachrichten, die mit den Schiffern über den Strom herankamen. Wo Händler, Reisende und Beamte täglich hindurch mussten, siedelten sich Handwerker jeder Zunft an; Arbeit gab es hier mehr als genug. Und weil das Flicken, Knüpfen, Schmieden Hunger bereitete und dazu einige Adelshöfe gute Aufträge zu vergeben hatten, waren Bäcker, Metzger und Gastwirte nicht fern. Bis 1944 hielten sich die ältesten Gasthäuser Bonns in der Rheingasse, die unter verschiedenen Namen von 1535 an reichlich Besuch hatten. Erwünschten ebenso wie unerwünschten: Durch diese Gasse ritten die bewaffneten Anhänger…
Um es einmal kurz und verkürzt zu sagen: So rasant der Fortschritt in den Jahren ab 1890 auch verlief, so sehr ging er am Hauspersonal vorbei, das zu bald 100 % weiblich war. Und zwar in jeder Hinsicht. Die Erwartungen, die an die meist jungen Frauen gestellt wurden hinsichtlich Fleiß, Tugend und Verfügbarkeit, unterschieden sich kaum von denjenigen, die man an eine Sklavin gestellt hätte. Ging es um Arbeitsschutz und soziale Verbesserungen, so waren Dienstmädchen sogar explizit ausgeschlossen. Eine Arbeiterin in der Fabrik hatte deutlich mehr Rechte als die Frau, die sich in einer bürgerlichen Familie um Kinder, Haushalt und Küche kümmerte. Nicht einmal kündigen konnte sie, wenn es ihr zu viel wurde - sie musste den Wechseltag abwarten, der regional unterschiedlich ein- bis…
Wie jetzt? Gendern und historisches Bonn? Muss das sein? Fange ich jetzt auch noch an, alles mit Binnen-I oder Sternchen oder was auch immer zu nerven? Was kann ich dazu sagen? Ja und nein am besten.Ich bin keine Freundin des Genderns. Allerdings: Wer sich jetzt freut und denken, ich verträte die Ansicht, Frauen sollten sich mal nicht so haben, weil es ja sooo offensichtlich sei, dass sie mitgemeint sind, der irrt sich gewaltig. Es besteht nämlich für mich ein Riesenunterschied zwischen schriftlichem Gebrauchstext und einem Roman. In einem Roman nämlich erwarte ich, dass die Autorin oder der Autor sich die läppischen zwei Sekunden nimmt, um beispielsweise etwas wie 'Meine Damen und Herren', 'Liebe Schülerinnen und Schüler' oder 'All meine Freunde und Freundinnen' zu schreiben;…
Das Projekt, für das ich mit ganz viel Glück das Stipendium von Neustart Kultur erhalten habe, bringt mich dazu, ganz tief einzusteigen in die Recherche; bislang habe ich ein kleines Vermögen für antiquarische Bücher, Schriften und Magazine ausgegeben, die größtenteils aus den Jahren 1890-1910 stammen. Das erste Thema war das Leben der Dienstboten in dieser Zeit, wobei die männlichen Hausangestellten zu vernachlässigen sind; sie stellten keine zehn Prozent mehr. Es waren vor allem junge Frauen, Mädchen sogar, die in diesem Bereich tätig waren. Aber dazu gerne ein anderes Mal mehr.Das zweite Thema ist meine Heimatstadt, in der Hedwigs Geschichte zum Großteil spielt. Es ist ein Bonn, das sehr, sehr anders aussah als das, was wir heute kennen. Natürlich gibt es einige Plätze und Straßen,…