So lautet die Kapitelüberschrift eines Buches aus dem Jahre 1928, erschienen also ein bis zwei Jahre, nachdem Emma nach Bonn zurückkehrte. Paula von Reznicek schrieb es unter dem Titel “Die perfekte Dame” und es beschäftigt sich – mitunter sehr kryptisch und vage – mit allen Themen, die die Neue Frau wohl bewegten: Von Mode bis Sport, von Auto bis Liebesleben – alles wurde auf ein bis zwei Seiten besprochen. Ob es ein hilfreiches Brevier war? Sicherlich nicht mehr und nicht weniger, als es solche Ratgeber heute sind. Was aber damals wie heute gefällt, sind die wunderbaren Skizzen und Zeichnungen in diesem Buch.
Da aber das Thema “Dame” sicherlich auch in Emmas Leben eine Rolle gespielt haben dürfte und sie dieses Buch in zwei Jahren auch lesen wird, lasse ich Frau Reznicek selbst zu Wort kommen: Gehörte zum Damesein unbedingt Geld? War die Dame eine, die nichts tat, als sich die Nägel zu polieren und Dienstboten zu tyrannisieren?
Bin ich reich genug, eine Dame zu sein?
Ein Refrain, der immer wiederkehrt – zu keiner Zeit ausstirbt und zur Schlagermelodie der Frau geworden ist.
Welch ein Irrsinn! Bin ich reich genug, erotisch, musikalisch oder religiös zu sein? Die Dame hat mit Reichtum erst in zweiter Linie zu tun – und die Allerreichste der Welt kann alles andere eher, als eine Dame sein.
Geld erleichtert – ist nervenberuhigend, angenehm, aber es entscheidet nicht. Manieren und Geschmack, Intelligenz und Instinkt, Gepflegtheit und Liebenswürdigkeit ersetzen oft materielle Vorteile oder gewinnen leicht solche.
“Wie pflege ich mich ohne Geld?” fragte neulich eine Schöne – und die prompte Antwort einer noch weniger Begüterten, aber bedeutend reizvolleren jungen Dame: “Versuchen Sie`s mal mit Seife, Kamm und Nagelschere …”
Eine wirkliche Dame ist nicht arm – eine echte Dame kommt auch mit Wenigem aus, eine große Dame hat immer ihren Kreis, der ihr beisteht, immer ihre Freunde, die ihr helfen.
Aber eine Talmidame, die nur scheint und nicht ist, die nur imitiert und kopiert, die nur äußerlich und nicht innerlich gedeiht, wird und kann nie reich genug sein, um das zu werden, was sie erhofft und nie erreicht …
Tja, sind wir jetzt schlauer? Und liegt es nicht nah, auf den Namen der Autorin und die damit sicherlich verbundene gehobene Stellung zu zeigen und sich zu fragen, ob sie überhaupt wusste, wovon sie sprach?
Paula Stuck von Reznicek, wie sie sich nach ihrer zweiten Heirat nannte, war ein geborenes Fräulein Heimann und die Tochter eines Bankiers, allzu viel Armut dürfte sie nicht gekannt haben, hochadelige Standesdünkel aber ebenso wenig – wichtiger wird es werden, dass zumindest ein Elternteil jüdischer Herkunft ist.
Interessant ist, dass ihr Buch, das sie gemeinsam mit ihrem ersten Mann, einem Freiherrn von Reznicek, geschrieben hat, heute noch als interessantes Zeitdokument gilt, weil es eines sehr deutlich zeigt: Die Veränderung des weiblichen Selbstbewusstseins – das zeigt auch das oben zitierte Kapitel, in dem sie Frauen das Wissen um ihre Erotik zubilligt (ein Thema, das sich durch das Buch zieht). Auch die Illustrationen zeigen diesen Wandel deutlich.
Paula selbst übrigens auch, denn sie lässt sich von ihrem ersten Mann scheiden, heiratet ein zweites Mal und auch diese Ehe wird geschieden – wer wen weswegen verlassen hat, habe ich in beiden Fällen nicht herausfinden können. Allerdings darf sich auch die heutige Frau noch wundern: In Paulas Wikipedia-Eintrag wird den Gatten durchaus nicht wenig Raum gegeben. Wir erfahren, dass ihr erster Mann Sportreporter und Präsident des Deutschen Tanzverbandes war (und finden auch heraus, dass er sich allein dadurch wohl noch keinen eigenen Wiki-Artikel verdient hat) und lernen auch über ihren zweiten Mann, den Rennfahrer, so einiges. Sie hingegen wird in Quellen, die von Hans Stuck sprechen, kaum erwähnt – in einer Randnotiz erfährt die Suchende, dass Hitlers Vorliebe für den blonden und hochgewachsenen Herrenfahrer ihr das Leben gerettet haben dürfte.
Doch nicht nur die Tatsache, dass sie zweimal verheiratet und zweimal geschieden war, machte eine moderne Frau aus ihr: Sie spielte in der Tennisweltrangliste, errang einige Meistertitel und machte sich dann als Schriftstellerin und Journalistin (bei Der Dame, einer Zeitschrift, die einflussreich und prägend wirkte und vor einigen Monaten zumindest einmal neu und hochpreisig neu aufgelegt erschien) einen Namen und zwar einen solch guten, dass sie nach 45 von Erich Kästner nach München geholt wurde. Außerdem muss sie zu irgendeinem Zeitpunkt als Krankenschwester gearbeitet haben – der Verdacht liegt nahe, dass das in einem der beiden Weltkriege gewesen sein dürfte. Liest man mit diesem Wissen über ihr Leben das Kapitel oder gleich das ganze Buch erneut, dann verschiebt sich die Wahrnehmung doch sehr, nicht wahr?
Die perfekte Dame gibt es übrigens als Nachdruck für einige Cent und allein der Bilder wegen lohnt es sich, wenn man die Zwanziger liebt. Mehr über Paula findet sich bei Wikipedia, viel ist es allerdings nicht. Wer mehr über sie weiß – ich wäre sehr interessiert und freue mich über einen entsprechenden Hinweis.