Autor: Andrea

  • Wenn die Geschichte in dunklen Zeiten spielt

    Wenn die Geschichte in dunklen Zeiten spielt

  • Das vergiftete Manuskript

    Das vergiftete Manuskript

    Wie jagt man einen Mörder, wenn man das Haus nicht verlassen darf?

    Bonn, Oktober 1930.
    Emma ist stolz auf ihren Mann James, dessen Verlag immer besser läuft. An einem sonnigen Mittwochvormittag hat er eine Verabredung mit einem Schriftsteller in dessen Wohnung.
    Er ist nahezu pünktlich.
    Leider.
    Anstatt einen neuen Vertrag abzuschließen, findet er sich in Untersuchungshaft wieder.

    Und während der Gatte darauf hofft, dass seine Unschuld schnell bewiesen wird, muss Emma sich in ihr Heim verbannen lassen. Als Gemahlin eines Verdächtigen darf sie die Ermittlungen nicht begleiten.
    Eigentlich.
    Doch Emma weiß zu gut, wie schnell es geschehen kann, dass ein Unschuldiger für ein Verbrechen büsst, das er nicht begangen hat. Und so mischt sie sich doch wieder ein …

  • Verlag oder Indie?

    Verlag oder Indie?

    Es gibt natürlich hunderte von Artikeln, Kolumnen und Beiträgen zu diesem Thema und solltest du eine Autorin am Anfang ihres Weges sein, dann kennst du vermutlich bereits alle und weiß somit bestens Bescheid über das Für und Wider jeder Möglichkeit. Da kann ich dir nichts Neues sagen.

    Das ist aber auch gar nicht mein Bestreben, denn ich schreibe für dich als Leserin. Oder genauer gesagt: Alles, was ich schreibe, schreibe ich für Leserinnen, ob das meine Romane sind oder ein Post auf Instagram oder eben dieser Artikel hier. Mit Kolleginnen kommuniziere ich lieber per Mail und Chat und live (was ich aber auch gerne mit Leserinnen tue).

    Um was geht es also heute?
    Weiß ich, ehrlich gesagt, noch gar nicht so genau. Aber das Thema brennt mir seit einiger Zeit schon auf der Seele, weil ich immer wieder in Diskussionen dazu gerate. Auch weil ich zu viele Artikel zum Thema ‚Der arme Verlag‘ gelesen habe während der letzten Wochen. Wobei mir irgendwann doch sehr aufstieß, wie es dabei immer um Existenzgrundlagen ging. Und zwar um diejenigen der Verlagsangestellten, der Buchhändlerinnen, der Vertriebler und der externen Mitarbeiterinnen wie Coverdesignerinnen, Lektorinnen und Korrektorinnen.

    Die – wohl gemerkt – natürlich von ihrem Job leben sollen können. Nur nie erwähnt wurden die Autorinnen. Also mal so gar nicht, sieht man von Nebensätzen ab, in denen man vielleicht sagte, es sollten die Autorinnen unterstützen, es wäre ja im eigenen Interesse, wenn alle gut verdienten, dann bekämen sie ja auch mehr. Doch an erster Stelle kamen diejenigen, die von der Arbeit dieser einer Person leben wollen. Und da sah ich also all diejenigen Kolleginnen und Kollegen vor meinem geistigen Auge an ihrem Schreibtisch hocken, Wort an Wort suchend und aneinanderreihend und dabei die Last von mehr als einem Dutzend Personen auf den Schultern tragend.

    Der Unterschied ist halt: Die meisten dieser Personen sind fest angestellt und haben einen Lohn, der in der Regel höher ist als der Durchschnittsverdienst einer Autorin. Deutlich höher. Also sehr viel höher. Vom Schreiben nämlich leben die Wenigsten, die meisten Kolleginnen, die nicht zu den Bestsellerköniginnen zählen, haben einen Hauptberuf und schreiben in der Freizeit, die noch bleibt. Und haben sich viel zu oft daran gewöhnt, gar nicht erst zu erwarten, von ihrem ‚Hobby‘ mehr zu haben als ein nettes Abendessen alle paar Wochen. Weil Kunst und Kultur und so. Und hey: Das ist doch Ruhm und Ehre genug, auf dem Titel eines Buches genannt zu werden und dieses Buch womöglich sogar im lokalen Buchhandel zu finden. (Selbstverständlich nicht, wenn dein Verlag nicht zu den Großen gehört und du dich gerne in einer der Ketten finden möchtest, die – das sollte mal nicht vergessen werden – den unabhängigen Buchhandel wirksamer zerstören, als Amazon es könnte.)

    Ja, und logisch schließt sich an diese Diskussion immer das Geschimpfe über das (auf alle Fälle viel zu mächtige und) große A an, das böse Bedingungen diktiert und alles kaputt macht. Und ja, da gibt es vieles, was verbessert und abgeschafft werden muss, von Steuerschlupflöchern bis zu miesen Arbeitsbedingungen. Aber das viel größere Problem für Verlage vor allem dürfte sein, wie ausgesprochen kulant und hilfsbereit Amazon ist, wenn es darum geht, als Autorin von der eigenen Arbeit so gut leben zu können, wie es für die vorher genannten Personengruppen gilt.

    Tja, jetzt könnte man meinen, ich wäre zur Indieautorin geworden, weil ich Geld verdienen wollte. Da muss ich sagen: So klug war ich lange Zeit nicht einmal, als dass ich mir um solche egoistischen Luxusgüter wie Essen, Trinken, Rente Gedanken gemacht hätte. Ich habe nämlich einfach nur meine erste Geschichte geschrieben und sie bei Amazon hochgeladen, weil ich viel zu ängstlich und schüchtern war, um Agenturen anzuschreiben. Deren Webauftritte sind in der Regel alles anderes als einladend und der Ton, in dem Bedingungen und Forderungen dort aufgelistet sind, geht mehr so in Richtung: Du, die du hier eintrittst, lass alle Hoffnung fahren!

    Hat auf mich gewirkt, ich habe keine einzige Agentur angeschrieben. Und wollte meinen verschwundenen Professor einfach in täglich kleinen Portionen auf meinem Blog veröffentlichen. Was mir eine liebe Freundin verboten hat. Wenigstens bei Amazon könnte ich es doch einstellen, da könnten es meine Blogleserinnen kaufen. Punkt.

    Ich gehorchte, erzählte auch, ich habe da einen Krimi geschrieben, aber den müsst ihr nicht kaufen, ist ja alles nur Spielerei und so peinlich. Aber etwa zwanzig kauften ihn dann doch. Und ich schrieb am zweiten Band, was ich nie vorgehabt hatte. So machte ich weiter, um mir mein verhasstes Hausfrauendasein erträglicher zu machen. (Ein ganz anderes Thema und nicht für heute angedacht). Etwas wie Werbung habe ich über Jahre nicht gemacht, sondern nur auf Instagram meine Cover gezeigt – was mir ebenfalls schon peinlich genug war. Ich wagte ja nicht einmal in Gedanken, mich Autorin zu nennen.

    Ich bin also in das Indieautorinnenleben reingerutscht und kam dadurch dann auch zu zwei Verlagen. Ohne Frage: Die Zusammenarbeit war toll, ich mag die Leute alle sehr, es hat Spaß bereitet und natürlich ist ein absolutes Hochgefühl, von einem Verlag angeschrieben zu werden mit der Frage, ob man nicht etwas für sie schreiben wolle. Was zudem zu einem guten Zeitpunkt geschah: Meine Mutter war eben in die Demenz-WG umgezogen und machte dort die allergrößten Schwierigkeiten. Ich kam eben aus der Wohnung, mühsam nicht heulend und vollkommen geschafft, als mein Handy klingelte. Eine neue eMail. Ich schaue hinein und ja, das war das Highlight des Monats. Natürlich habe ich zugesagt und will seit langem schon einen weiteren Band für dp schreiben. Klappt nur irgendwie nicht.

    Weil mein Schreibkalender voll ist bis obenhin. Weil ich zu viele Ideen habe, die ich verwirklichen möchte.

    Aber auch, weil ich schneller bin als ein Verlag. Weil ich mittlerweile weiß, dass ich ein Kontrollfreak bin. Weil ich mich nicht in der Länge meines Romans einschränken lassen will. Weil ich alleine entscheiden will, ob nun dieses oder jenes passiert.
    Nun war es nicht so, als hätte man mir etwas vorgeschrieben oder als wäre mein Text unkenntlich aus dem Lektorat gekommen (im Gegenteil wurde gar nichts geändert, was mich dann doch auch sehr wunderte). Nein, die Zusammenarbeit war toll. Aber sobald das Buch veröffentlicht war, hatte ich nichts mehr damit zu tun. Es fühlte sich nicht an wie meine Arbeit. Und das fühlt sich nicht gut an. Es ist ein bisschen so, als wäre mein kleines Kind zum Spielen bei einem Freund und dann riefen die Freundeseltern an und teilten mir mit, der bleibt jetzt bei uns, der kommt nicht wieder zu euch nach Hause. Und ich würde nur mit den Schultern zucken und sagen, das wäre schon ok. Grässlich, oder?

    Für mich und meinen Charakter kann es nur das Indieautorinnenleben geben. Ich trage die Verantwortung an allem, arbeite täglich lange und hart an allen möglichen Aspekten dieses Berufs, mache mich damit oft genug vollkommen verrückt und fertig, aber ich liebe jede Minute davon. Mir gefällt das Cover nicht mehr, ich habe eine neue Serienidee, ich habe gelernt, einen besseren Klappentext zu schreiben, ich will diese Geschichte nicht mehr veröffentlichen? Alles eine Sache von Minuten, Stunden, Tagen und es ist so, wie ich das will. Ich kann auf alles reagieren, wie ich es möchte, ich muss mich mit niemandem absprechen, ich muss nicht bitten und betteln und ich kann – nahezu – für mein Essen, Trinken und die Rente sorgen. Dabei bin ich so abhängig wie wir alle von allen möglichen Gegebenheiten, aber doch so frei, wie es nur geht.

    Also ganz klar: Indie von ganzem Herzen!

  • Viel zu aktuell …

    Viel zu aktuell …

  • Undercover auf der Schönheitsfarm

    Undercover auf der Schönheitsfarm

    Die Geschichte mit dem kleinen Handtuch hatte ich auf Insta schon erzählt, daher bitte nicht böse sein, wenn sie auch in diesem Beitrag vorkommt; es gehört einfach dazu.

    Ob ich es schaffe, heute alles zu berichten, weiß ich noch nicht. Seht es mir nach, ich bin doch noch hübsch elend krank und habe Mühe beim Denken und Tippen.

    Nun also. Vor unglaublich langer Zeit habe ich auf Norderney als sehr junge Frau eine Schönheitsfarm geleitet. Wir arbeiteten doch mit den Produkten einer Firma, deren Gründerin in den 1920ern (diese Dekade begleitet mich eben schon immer) mit der Anwendung von Strom auf Haut experimentierte und daraus eine Behandlungsmethode entwickelte, die mit kleinen Abwandlungen auch heute noch praktiziert wird.

    Das ist aus zwei Gründen wichtig, zu wissen:
    Zum einen wurde diese Firma durch die Leiterin jener Schönheitsfarm, zu der ich in geheimer Mission geschickt wurde, nach Deutschland gebracht – was diese Dame so oft erzählt, dass es besagter Firma nicht mehr lieb sein konnte. Weshalb man dort sehr angetan war von der Idee, dass eine zweite Schönheitsfarm entstehen sollte, die mit ihnen arbeitete.
    Zum anderen ist diese Methode mit den Stromapplikationen erstaunlich wirksam, kann aber auch sehr schmerzhaft sein, wenn jemand daraus etwas macht, was so nicht vorgesehen ist. Natürlich bekamen wir Kundinnen, die bei dieser Dame schon gewesen waren, manche seit Jahren. Weil sie mal statt in den Süden in den Norden wollten. Und immer, absolut immer, wurden meine Angestellten und ich gefragt, ob wir das denn richtig machten – das wäre ja alles so angenehm und wir würden ja gar nicht nach Körperhälften abrechnen und überhaupt wäre es so völlig anders. Wir bekamen mit der Zeit ein Bild dieser anderen Farm vermittelt, das ausgesprochen spooky war.

    Nun war es so, dass manche der Damen sich beschwerten, weil es ja im Süden anders war. Ok, da tat es weh und vieles war total unangenehm, aber so musste das. Von wegen: Wer schön sein will, muss leiden. Ein Leid, das selten im Verhältnis zur erzielten Schönheit stand, fand ich.

    Mein Chef sagte also: ›Hubi Engelchen, wenn du eine Woche von deinem Urlaub opferst, dann zahle ich dir den Aufenthalt. Find mal raus, was die tun, damit du besser argumentieren kannst, bevor sich wieder eine bei mir beschwert und ich mich damit rumschlagen muss.‹

    Anfang Dezember fuhr ich in diesen Ort im Süden und traf spät am Nachmittag im Hotel ein. Das Hotel sollte ich natürlich auch unter die Lupe nehmen; wenn schon, denn schon – obwohl Chef nicht davon ausging, dort etwas zu finden, was seinem Haus nutzen würde. Da hatte er recht. Ein Hotel, das sich zwischen Kur- und Konferenzgästen aufteilt, hat nur wenig mit einem Sporthotel an der Nordsee gemein.

    Ich war kaum auf meinem Zimmer angelangt, als das Telefon klingelte und eine Dame mit sehr starkem und ebenso falschem fronßischem Akzent mitteilte, dass sie heute Abend nicht mit mir essen gehen könne, sie es aber arrangiert habe, dass ich mit der anderen heute eingetroffenen Gästin speisen würde. Auch das war etwas, was ich oft von meinen Besucherinnen gehört hatte: Madame kam nur dann zum Begrüßungsessen, wenn genug Frauen da waren. Für zwei Frauen lohnte sich die Mühe nicht.

    Wie es sich nun ergab, war die andere Dame schon weit in ihren Siebzigern und zum ersten Mal auf einer Farm. Sie war unglaublich nervös und aufgeregt und irgendwie war es dann plötzlich meine Aufgabe, ihr diese Unruhe zu nehmen. Ich war also im Job sozusagen; das kannte ich ja von meinen Sonntagabendsbegrüßungsessen auch, wie fast schon ängstlich manche Kundin auf ihre Woche blickte.

    Ok, das war eine ziemlich lange Vorrede, aber jetzt sind wir hoffentlich in der passenden Stimmung: kalter Dezember in einem gar nicht so hübschen, dafür riesigen Hotel und ich undercover – zwar unter meinem eigenen Namen, aber auf keinen Fall vom Fach.

    Am nächsten Morgen um neun Uhr sollte ich dann meinen Beratungstermin bei Madame haben. Gemeinsam mit der alten Dame traf ich unten ein. Dort standen wir bestimmt eine Viertelstunde in einem langen Flur, in dem permanent junge Kosmetikerinnen auf und ab rasten, ohne uns auch nur anzusprechen. Kein guter Beginn, fand ich.

    Irgendwann hatte ich genug und warf mich einer Angestellten in den Weg.
    Die schaute mich etwas verächtlich an, als ich meinte, wir hätten um neun den Termin mit Madame. »Madame kommt nie vor zehn Uhr.«
    Ah ja, sehr hilfreich. Sie hatte mir zwar den Termin höchstpersönlich genannt, aber schon jetzt wurde mir der Eindruck vermittelt, etwas falsch gemacht zu haben.

    Immerhin durften wir uns in den Wartebereich begeben, der an geblümter Scheußlichkeit kaum zu überbieten war: Dort standen grellbunt geblümte Sofas, dazwischen goldgerahmte Glastischchen in einer solchen Menge, dass wir uns den Weg vorsichtig zum Polstermöbel erarbeiten mussten. Auch Tischlampen waren in großzügiger Menge vorhanden und natürlich Unmengen an Prospekten. Das war schon nicht wirklich gemütlich, auch deshalb nicht, weil die Karawane der vielen, vielen Angestellten pausenlos an uns vorüber eilte.

    Noch viel ungemütlicher aber wurde es, als eine uns zurief, wir sollten bitte auf die Bezüge achten.
    Hä? Wie jetzt? Da erst entdeckte ich ein Preisschildchen, das von einer Lampe baumelte. Eine stolze Summe stand darauf, die diese Scheußlichkeit niemals wert sein konnte. Und solche Etiketten hingen an allen, absolut allen Gegenständen in diesem Raum. Sollten hier wirklich Möbel verkauft werden – so ganz en passant?

    Wirklich kam Madame erst um halb elf und heute denke ich, das hatte Methode. Ich hatte ja die Kundinnen, die von ihr zu uns kamen und die schlimmsten Dinge erzählten, immer gefragt, ob sie sich beschwert hätten. Was keine jemals bejahte. Das wagte man hier nicht und ich denke, dass das daran lag, wie man behandelt wurde. Ich war in solchen Dingen nicht auf den Mund gefallen, aber dennoch saß ich verblüfft und baff und schweigend vor Madame, als sie sich wunderte, dass ich schon da wäre.
    »Neun Uhr? Moi? Das habe ich niemals gesagt.«

    Da hätte ich ihr eigentlich das Terminkärtchen zeigen müssen, das ich an der Rezeption erhalten hatte: nicht nur mündlich im Telefonat, sondern auch schriftlich hatte sie mir diesen Termin gegeben. Aber ich war viel zu erstaunt von ihrer Chuzpe, um etwas zu sagen. Das steigerte sich noch beträchtlich, als ich erfuhr, wie sich die seltsame Aufteilung meiner Termine erklärte. Ich hatte eine Kur über drei Tage gebucht, in der ich allerdings fünf Körperbehandlungen erhalten sollte. Was natürlich Blödsinn ist: Zwei Mal pro Tag dieselbe Anwendung bringt nicht mehr.

    Aber ups, wer hätte es gedacht, das war natürlich mein Fehler, denn wahrhaftig war eine Körperbehandlung auf die Vorder- oder Rückseite beschränkt. Ziemlich raffiniert, dann fünf anzusetzen – wirklich fragte Madame, welche Seite mir wichtiger wäre für die letzte Behandlung oder ob ich vielleicht eine sechste dazubuchen wolle.

    Wollte ich nicht, allerdings wagte ich zu fragen, ob ich die Maniküre und die Pediküre eintauschen könne. Ich hielt es bei uns ja so, dass, wenn eine Kundin etwas nicht wollte oder brauchte, ich die dafür angesetzte Zeit nahm und ihr anbot, etwas anderes zu wählen. War hier nicht so. Wenn ich etwas nicht wolle, dann eben nicht.
    Ok, dann wollte ich auch keine sechste Körperbehandlung.
    Das würde ich gewiss bereuen, meinte Madame.
    Ich bereute auf alle Fälle jetzt schon, mich in der geblümten Spinnenfalle zu befinden.

    Ich bekam meine Maniküre als Erstes, was absolut sinnlos war, denn meine Kolleginnen hatten mich in den Tagen zuvor auf Hochglanz gepflegt- falls ich auffliegen sollte, müssten wir uns nicht schämen. Öhm ja. Mussten wir auch nicht, denn die Kosmetikerin, die meine Hände verschönen sollte, fand nichts zu tun außer noch ein wenig herum zu polieren und nach fünf Minuten zu sagen, ich könne wieder im Wartezimmer Platz nehmen.
    Was mich wieder verblüffte. Wir hatten doch einiges an Zeit eingespart und diese Farm verfügte über Unmengen von Kabinen; da könnten wir doch gleich mit dem Peeling und der Behandlung anfangen?

    Aber nein, ich war ja dumm, wie hatte ich annehmen können, ich bekäme eine Kosmetikerin für den gesamten Aufenthalt? Das würde nur für unnötige Nähe und Vertraulichkeit sorgen, erklärte mir die junge Frau, und das wolle Madame nicht.
    Ah ja. In einer solchen Woche geht es zwar immerzu um Nähe und Vertraulichkeit, aber Himmel noch, das wollen wir wirklich nicht, dass die Kundin sich wohlfühlt, weil sie eine Bezugsperson bekommt.

    Ich hockte also wieder – ganz vorsichtig – auf dem geblümten Sofa und wartete. Und wurde müde und hungrig. Sehr müde. Sehr hungrig. Gefrühstückt hatte ich noch nicht, ich hatte ja gedacht, nur einen kurzen Neun-Uhr-Termin hinter mich bringen zu müssen, und dann essen zu dürfen. Tja …

    Dann endlich raste eine recht resolute Person auf mich zu, forderte mich auf, mitzukommen, und rannte schon wieder davon. Ich galoppierte ihr nach, verlor sie aber in dem langen Flur, weil sie in irgendeines des tausend Zimmer entflohen war. Ich stand also wieder etwas doof im Gang und hoffte auf Erlösung. Sie streckte den Kopf aus ihrer Kabine, seufzte und fragte, wo ich bliebe.
    Schuldbewusst trabte ich zu ihr. Sie wies auf die Liege und bat mich, mich auszuziehen, ich bekäme jetzt das Körperpeeling. Nun hatte ich in weiser Voraussicht an diesem Tag meine Brille aufgesetzt, weil die harten Linsen nicht gut mit Kosmetika zurechtkamen. Diese Brille legte ich ab, reichte sie der jungen Dame, die sie in Sicherheit brachte. Ich legte mich hin, wir fingen mit dem Rücken an.
    So weit, so gut, so macht man das: Man gibt der Kundin Zeit, sich zu entspannen, bevor sie einem die nackte Vorderseite präsentieren soll. Es war, ihr erinnert euch, Dezember. Ich hatte nichts an und wurde nun großzügig mit der Peelingcreme eingerieben, die Wasser brauchte, um verteilt zu werden. Wasser, nackt, Dezember. In einem geheizten Raum kein Problem. Bis die junge Dame mir erklärte, ihr sei zu warm, und das Fenster öffnete. Weit öffnete. Ich bibberte. Und bat um eine Decke.
    »Wie soll ich Sie dann peelen?«
    Indem sie nur das freilegte, was dran war, dachte ich. Wie man das eben so macht. Zumal man als behandelnde Kraft eben manchmal ins Schwitzen geriet, das war Teil des Berufs. Dass die Kundin friert, sollte niemals geschehen.
    Konnte ich das sagen? Eher nicht, weil undercover. Aber es wurde schlimmer, denn sie benutzte nicht die Hände, sondern den Frimator – eine sich drehende Bürste, die super angenehm sein kann. Wenn man sie leicht über die Haut laufen lässt. Was die Dame nicht tat. Offenbar war sie der Meinung, ich wäre ein Schuppentier und müsste daher gründlich abgeschliffen werden. Sie drückte und presste und ich jaulte irgendwann doch auf – am Knöchel schmerzte das schon sehr. Ihre Antwort: »Sie sind aber wirklich sehr empfindlich!«
    Sorry. Sie schrubbte also weiter und nahm auch an Gelenken und fettarmen Stellen keine Rücksicht. Nachher sah ich vier offene und blutende Stelle. Meine Schuld, nehme ich an. Im selben Raum befand sich die Badewanne, die während dieser Prozedur einlief. Ein Fichtennadelöl wurde darin verteilt und ich hatte – frierend, müde und hungrig, dazu gequält von meiner Zuchtmeisterin – nur den einen Wunsch, in diesem warmen Wasser zu versinken.

    Erleichtert, meine Qual beendet zu wissen (und ein Körperpeeling sollte wohltuend sein), sprang ich von der Liege und wollte zur Wanne. Dennoch wickelte mich die Kosmetikerin in ein Handtuch, das knapp über den Po reichte und die Brust nur knapp bedeckte.
    Das fand ich seltsam, die zwei Schritte hätte ich auch nackt gehen können, nachdem ich ja nun schon die ganze Zeit frierend vor ihr gelegen hatte. Doch auf halbem Weg zur Wanne packte sie mich an den Schultern und drehte mich Richtung Ausgang. Sehr streng erklärte sie, so könne ich nicht ins Wasser steigen, ich würde ja den Ausfluss verstopfen mit meinem Peeling.
    Logisch, die Rohre werden lahmgelegt, wenn du in die Wanne steigst, nicht aber, wenn die Körnchen durch die Dusche abfließen. Nun nahm ich an, sie brächte mich in einen Nebenraum und bat daher auch nicht um meine Brille. Was ich sehr bereute, als ich realisierte, dass es raus aus dem geschützten Raum der Farm hinaus in den Hotelflur ging und ich in den Aufzug geschoben wurde, um in meinem Zimmer zu duschen.
    So schnell konnte ich gar nicht reagieren, wie sich die Türen hinter mir schlossen und der Aufzug losfuhr. Blind, frierend, tropfend und bemüht, das Handtuch nicht zu verlieren, landete ich drei Stockwerke höher in meiner Etage. Mein Zimmer lag geradeaus, keine zwanzig Meter entfernt, am Ende eines kleinen und dunklen Ganges. So zumindest hatte ich es vom gestrigen Abend in Erinnerung und auch am Morgen hatte dort alles im Dunkeln gelegen.

    Was ich nicht bemerkt hatte: Auf der einen Seite waren keine Gästezimmer. Sondern ein Seminarraum.
    Ein verglaster Seminarraum.
    Ein verglaster Seminarraum, der nun voll besetzt war.
    Was ich nicht gleich sah, ich war ja blind.
    Hören aber konnte ich.
    Was ich hörte?
    Die Pfiffe von etwa zwanzig Männern, die aufsprangen und johlten, die Tür aufrissen und mich einluden, zu ihnen zu kommen.

    Ich wollte zurück, drehte mich hastig um und sah, wie die Aufzugtüren sich vor mir schließen. Alles Drücken und Klopfen nutzte nix, das Ding war weg.
    Nicht weg war das Gelärme hinter mir. Erwachsene Männer im Anzug, die sich ganz gewichtig über irgendwas belehren ließen, hatten nicht Anstand genug, sich zurückzuhalten. Das hier war, ich möchte es noch einmal betonen, kein Junggesellenabschied (der ja auch anständig verlaufen könnte …), sondern ein seriöses Businessseminar.
    Mir blieb nichts weiter übrig, als an der Meute vorbeizuhasten, noch immer blind, frierend und tropfend und jetzt auch zutiefst verlegen. Ich duschte und zog mich an, dann raste ich wieder zum Aufzug und überhörte die erneuten Rufe, in denen die Aufforderung erklang, die blöden Hosen doch wieder auszuziehen.

    Unten angekommen empfing mich die Kosmetikerin mit strengem Blick. Ich wäre zu lange fortgeblieben und wieso ich mich angezogen hätte, so würde ja noch mehr Zeit verschwendet. Ich war mittlerweile bereits so daran gewöhnt, geschulmeistert zu werden, dass mir nichts Besseres einfiel, als mich zu entschuldigen. Ich verhielt mich genau wie all die anderen Frauen, die mir von dieser Farm erzählt hatten. Da hatte ich nicht begreifen können, warum sie sich das gefallen ließen, da macht man doch den Mund auf, nicht wahr?

    Man tut es nicht. Ich schlüpfte eiligst aus meinen Sachen und durfte nun in die Wanne. Ich war selig.
    Dachte ich. Kaum saß ich darin, da drehte die junge Dame die Blubbermaschine ein (mir fällt einfach der passende Begriff nicht ein – wir hatten so etwas auch: ein Gitter, das durch einem Schlauch mit einer Luftzufuhr verbunden ist und so das Wasser ähnlich wie in einem Whirlpool aufbraust, was eine herrliche Massage für den Rücken ist. Oder sein kann …)

    Sie drehte am Knopf und verließ das Bad. Ich lehnte mich zurück und genoss das sanfte Kribbeln der Bläschen, die meinen Rücken hinaufliefen. Ja, ich dachte sogar, etwas entdeckt zu haben, was wir kopieren könnten, den dieser Blubbler wurde langsam stärker, anstatt gleichmäßig zu arbeiten. Das war angenehm.
    Zumindest so lange, bis die Wannenauflage, die über dem Gitter lag, das erste Mal durch den Luftdruck nach oben gegen meine Waden schlug. Huch. Das war seltsam. Ich stellte meinen Fuß auf die Auflage. Was nicht mehr ganz so bequem war. Es blubberte noch stärker, das Wasser spritzte hoch und höher. Fichtennadelschaum im Auge ist nicht toll. Jetzt schlug die Auflage gegen meinen Rücken. Ich setzte die Hand dagegen und hockte nun mehr oder weniger quer in der Wanne, darum bemüht, diese Auflage zu bändigen.
    Noch immer steigerte sich die Luftzufuhr. Es war wie im Wellenbad und das ist nicht übertrieben. Die Auflage hob ab, mit mir darauf. Ich wog damals nun wirklich nicht viel, aber das war nun doch nicht zu erwarten gewesen. Hin und her wogte das Wasser, es spritzte nicht mehr, es ging in Wellen über den Rand. So langsam wurde ich panisch, ich schluckte ja immer mehr von dem grünen Zeug. Ich klammerte mich an den Wannenrand, lehnte mich hinüber und versuchte, den Hebel zu erhaschen.
    Am liebsten wäre ich natürlich aus der Wanne gestiegen, doch ans Aufstehen war nicht zu denken, es hätte mich hochkant hinauskatapultiert. Ich lehnte also hinaus, doch noch bevor ich das Gerät erreichte, schaltete es sich aus. Wirklich erschöpft ließ ich mich zurücksinken.

    Die Ruhe währte nicht lange, denn die Tür sprang auf und die dritte Kosmetikerin an diesem Tag stürmte herein und erklärte, sie würde mir jetzt eine Körpermassage verabreichen. Dann sah sie sich um, schüttelte den Kopf und fragte, was ich denn bitteschön hier angestellt hätte, es sähe ja schlimm aus. Und obwohl ich wütend wurde, musste ich mich zurückhalten, um nicht aus der Wanne zu klettern und sauber zu machen.

    Ich hoffte nun also auf eine entspannende Massage. Wieder wurde das Fenster aufgerissen, wieder bat ich entweder um eine Decke oder darum, das Fenster zumindest auf kipp zu stellen. Beides geschah nicht und wieder hielt ich die Klappe. Wegen undercover einerseits und vollkommen zerschmettertem Selbstbewusstsein andererseits.
    Die Massage ließ sich gut an. Wäre sie meine Angestellte gewesen, hätte ich zwar noch ein wenig mit ihr geübt, die richtigen Punkte sich zu treffen und weniger über die Knochen zu hämmern, aber sie hatte weiche und warme Hände und massierte im gleichmäßigen Tempo. Sie bearbeitete meine Waden, meine Oberschenkel und ich war bereit, trotz Kälte einzuschlafen. Bis ich zusammenzuckte. Weil es bei einer Massage natürlich immer mal geschehen kann, dass man ausrutscht und jemanden intimer berührt, als man es beabsichtigt hat. Öl und Wärme sind manchmal schwierig zu kontrollieren. Wenn das aber wieder und wieder passiert, dann fängt man doch an, sich zu wundern.
    Das wiederholte sich so oft, dass ich, wäre sie ein männlicher Masseur gewesen, ihr eine Ohrfeige verpasst hätte. Ich lag also ziemlich verkrampft da und tat so, als bemerke ich nichts. Entspannung war also weiterhin Fehlanzeige.

    Nach einer halben Stunde dann war ich entlassen. Ich schnappte meine Brille, zog mich eilig an und wollte nun nichts weiter, als mir irgendwo etwas zu essen besorgen und diesen Ort hinter mir lassen.
    Leider lief ich Madame in die Arme, die mich empört betrachtete und mit dem Finger wackelte, als wäre ich ein unartiges Schulkind, dass die Direktorin außerhalb des Unterrichts erwischte. Ihr Charme war so falsch wie ihr französischer Akzent, als sie mir erklärte, sie habe das Polieren meiner Fingernägel auf die Rechnung gesetzt.
    Mehr als ein eloquentes ›Hä‹ fiel mir zunächst nicht ein. Ich stand da und hörte zu, wie sie davon sprach, dass das Polieren eine Zusatzleistung sah, da das Pulver sehr teuer wäre. Dann wollte ich etwas sagen. Sehr viel sogar. Zusatzkosten werden schließlich vorher abgeklärt und dass das Pülverchen viel koste, war eine unverschämte Lüge.
    Aber ich blieb ruhig und meinte nur, dass das ja das Einzige gewesen wäre, was an meinen Nägeln zu tun gewesen wäre; die behandelnde Kraft habe weder gefeilt noch massiert, sondern nur poliert, und das dürfe man doch wohl –
    »Ah, Mademoiselle Über, das sehen Sie ganz falsch.« Sprach es und ließ mich stehen. Ich war auf ganzer Linie geschlagen.

    So, das ist jetzt schon sehr, sehr lang geworden. Wie es weiterging in diesem gemütlichen Etablissement, erzähle ich demnächst. Man darf sich freuen auf Schläge, Stromstöße, Lehm und Flucht.

  • Warum eigentlich immer wieder Bonn?

    Warum eigentlich immer wieder Bonn?

    Ok, ich kann es nicht länger verbergen: Meine Heimatstadt ist fast immer auch Schauplatz meiner Romane. Die eine oder andere hat das vielleicht schon gemerkt. Warum ist das so? Bin ich so heimatverbunden? Ist meine Familie so fest in dieser Stadt verwurzelt? Bin ich in einem Stadtverein oder sponsert mich die Bürgermeisterin?

    Nein. Nichts davon. Ich bin hier geboren und aufgewachsen und hierher zurück gekommen. Ich fühle mich hier wohl, ich mag die Landschaft und die Leute und mittlerweile hört man meinem Tonfall deutlich an, woher ich komme (was ich gelegentlich erschreckend und bedauerlich finde, war ich doch immer sehr hochdeutsch). Meine Eltern kamen aus Köln und Lindau, Vereine sind nichts für mich und leider gibt mir auch niemand Geld dafür, Bonn und seine Geschichte zu beschreiben.

    Ich tue das, weil ich mich zum Einen sicher fühle, wenn ich beschreibe, was mich täglich umgibt, und zum Anderen, weil ich die Geschichte meiner Stadt immer schon sehr spannend gefunden habe. Geht man durch die Innenstadt und schaut man über die Geschäftsauslagen hinweg, so findet man überall Spuren der Vergangenheit. Da Bonn einige Male zerstört wurde, sind sie nicht unbedingt zahlreich und doch ist mit über zweitausend Jahre Geschichte Bauwerke, Straßenzüge und Ortsnamen verbunden. Wird hier an der Kanalisation gearbeitet oder Erde ausgehoben, so sind die Chancen so gering nicht, entweder auf eine Fliegerbombe zu stoßen oder aber auf etwas, das uns die Römer und Germanen oder all jene, die nach ihnen hier lebten oder kamen, hinterlassen haben. Es finden sich mittelalterliche Häuser, barocke Gebäude und sehr, sehr viele Gründerzeitvillen (darüber habe ich in Bezug auf die Hedwig-Trilogie einiges erzählt).

    Bonns Geschichte war wechselhaft und es wäre völlig verkehrt, sie auf die relativ kurze Periode als Bundeshauptstadt zu beschränken und die ewig alten Witze über die Stadt zu reißen, die schon durch ihre Lage an der Kölner Bucht nicht viel größer sein könnte, als sie ist. Bonn war Römerlager und davor wohl schon germanische Siedlung, sie war Schauplatz eines Reformationsgefechts, in dem die Liebe eine große Rolle spielte, und sie war jahrhundertelange Residenz der Kölner Kurfürsten, die sich in Köln nicht mehr recht wohlfühlen konnten, nachdem die Bevölkerung sich mit ihnen angelegt hatte. Dann lieber im kleineren und sonnigeren Bonn etwas bescheidener leben und einen relativen Frieden genießen, wenn nur die Franzosen nicht alle naselang vorbeischauen wollten.

    Das mit der Bescheidenheit ist allerdings so eine Sache, denn gerade im 18. Jahrhundert entfaltete sich hier eine Pracht, die alles andere als bescheiden war. Casanova schaute vorbei und überhaupt so ziemlich jeder Reisende, dem es nach Kultur, Frohsinn und guten Beziehungen gelüstete. Bonn entwickelte sich zu einer Stadt der Aufklärung, zumal unter dem letzten Kurfürsten, dem Bruder der Marie Antoinette. Der war nun wirklich bescheiden und lief im braunen Rock mehrmals am Tag durch Bonn, half auch schon mal beim Tragen der Einkäufe oder steckte seine Habsburger lange Nase in die Fenster der Bürger, um sich zu unterhalten. Ihm gelang, was anderen Fürsten zur Zeit der Französischen Revolution nicht gelang: Seine Bonner hielten ihn zu ihm, denn er handelte so klug und besonnen, so sehr im Sinne des Volkes, dass man hier von Aufruhr und Rebellion nichts wissen wollte. Er sorgte für Armenärzte, die kein Honorar von den Patienten nahmen, und richtete Studierzimmer im Schloss ein, in denen die Studenten warm und bequem arbeiten konnten und dazu Licht, Papier und Tinte nebst den nötigen Büchern vorfanden. Als er die Stadt verlassen musste, ging eine Ära zu Ende, der die Bevölkerung noch lange nachtrauerte.

    Nach ihm kamen die Franzosen und Bonns Bedeutung sank zu einem Nichts herab, was sich kaum besserte, als es preußisch wurde – mit denen mochte man noch weniger anfangen als mit den Franzosen. Das immerhin sorgte dafür, dass sich eine recht selbstbewusste Kaufmannsschicht bildete, die es bis zur Jahrhundertwende schaffte, die Stadt zur drittreichsten Stadt des Reiches zu machen, in der sich auch ausländische Rentiers zu gerne niederließen. Durch den ersten Weltkrieg ging auch diese Hochzeit zu Ende und Bonn rappelte sich nur mühsam auf. Wie anderswo auch, war das Bürgerliche, das gute hundert Jahre zuvor noch als innovativ, liberal und fortschrittlich gegolten hatte, nun deutschnational, unbeweglich und darauf aus, möglichst keine weitere Änderung zuzulassen – die Nazis fanden es nicht allzu schwierig, hier Fuß zu fassen, wenn es auch Widerstand gab.

    Bonn hatte im Krieg weitestgehend Glück, vergleicht man es mit Köln. Die gesamte Altstadt am Rhein – Herzstück der Stadt, Wohnort der Beethovens und Zentrum trunkener Studenten aller Jahrhunderte, war dahin, aber es blieb dann doch so viel der früheren Repräsentationsbauten, dass es sich zur Hauptstadt Adenauers anbot. Auch die Mischung aus Bildung, Bürgerschaft und Beamtentum machte es verhältnismäßig leicht, Abgeordnete und Staatsbedienstete unterzubringen, von denen die meisten sich wohlgefühlt haben in der Stadt der kurzen Wege. Als Bonnerin, die diese Zeiten zum Teil miterlebt hat (ganz so alt bin ich dann doch nicht), durfte ich feststellen, was auch andere bemerkt haben: Je kleiner der Ort war, aus der der Bundesgast kam, desto abfälliger äußerte der sich über Bonn, in dem einfach zu wenig los war. Das dürfte ganz oft auch daran gelegen haben, dass man ausgemachte Miesepeter eher nicht in die guten Stuben der nächtlichen Unterhaltung eingeladen hat, während man durchaus gut und gerne neben einem wie dem Genscher im Restaurant sitzen mochte, ob man seine Vorstellung von Politik teilte oder nicht.

    Ja und heute? Bonn sucht wie andere Städte auch einen Weg in die Zukunft. Noch immer leben die Bonnerinnen und Bonner gerne in ihrer Stadt und schätzen Lage wie Angebot. Aber Klimakrise, Waldsterben und die ewig gleichen Ladenketten, die Ödnis bringen, wenn sie kommen, und mehr davon hinterlassen, wenn sie gehen, machen auch der Stadt am Rhein zu schaffen. Mir persönlich sind viele Mitbürger zu unbeweglich in ihren Vorstellungen, zu sehr auf den eigenen Vorteil bedacht. Ich nehme mich davon nicht aus, aber da hilft vielleicht ein Blick zurück in diese sehr bewegte Geschichte, um mit mehr Mut nach vorne zu schauen und Neues zu wagen. Eine Stadt mit mehr Grün und weniger Autoverkehr – ich könnte mir das gut denken.

  • Abenteuer in Zeiten der Revolution

    Abenteuer in Zeiten der Revolution

    Liebe, Mut und Abenteuer.

    Philippe de Beretton hat nur einen Wunsch: Heim zu Luise, heim nach Bonn – und vergessen, was in Paris vor sich geht. Doch genau dorthin muss er; einmal noch in diese Stadt, in der er längst als Feind der neuen Ordnung gilt.

    Luise bemüht sich währenddessen um Geduld und Zuversicht. Doch dann erhält sie eine Nachricht, die sie jegliche Vernunft vergessen lässt. Sie muss zu Philippe! Sie muss nach Paris!

    In Bonn am Rhein glaubt man sich weit fort von den immer blutiger werdenden Aufständen in Frankreich. Doch vier Tagesreisen sind keine unüberwindbare Entfernung. Nicht für zwei Liebende und ebenso wenig für siegreiche Revolutionstruppen.

  • Liberté, égalité et fraternité … Wo bleiben die Schwestern?

    Liberté, égalité et fraternité … Wo bleiben die Schwestern?

    Madame Roland:
    Rechte nein, Hinrichtung ja

    Die Französische Revolution. Tja. Also. Je nachdem, von welchem Standpunkt man sie betrachtet, wird man von diesem Ereignis als dem großen Freiheitskampf sprechen, der für eine gerechtere Staatsform gesorgt hat und die Menschenrechte in Europa verankert hat. Man wird über die armen Bauern sprechen, über den dekadenten Adel und absolute Monarchen, über Hunger, Elend und Willkür. Den terreur wird man natürlich abscheulich finden und grauenvoll, sich dabei vielleicht ein bisschen angenehm gruseln, aber insgesamt eher die Errungenschaften dieser Revolution betonen.
    Gut, ok, danach kamen dann erst einmal ein Kaiser und dann wahrhaftig die beiden jüngeren Brüder von Louis XVI (die dafür nun wirklich nicht erzogen worden waren) als Könige auf den Thron. Dann wieder Kaiserreich und insgesamt ungezählte Republiken nebst zwei weiteren, nicht ganz so gewaltigen Revolutionen. Hmm. Man könnte meinen, die Franzosen haben sich so richtig ins Zeug gelegt für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

    Dass die Französinnen erst 1944 das Recht erhielten, sich an Wahlen zu beteiligen, ist vor diesem Hintergrund ein Armutszeugnis. Mehr noch deshalb, weil vor der Revolution (und das nicht nur aus heutiger Sicht) das 18. Jahrhundert als ein Jahrhundert der Frauen galt. Nicht nur, aber besonders in Frankreich.
    Autorinnen, Schauspielerinnen, Salonièren, Spioninnen, Malerinnen, Sängerinnen, Lehrerinnen, Mätressen, Fürstinnen und Königinnen: Ihr Wort hatte Gewicht, man erkannte ihr Talent an, verehrte und würdigte sie. Selbstverständlich immer im Rahmen, das ist heute noch immer nicht anders. Bestimmt hat auch damals schon so manche kluge Frau vor Wut in die Kissen geschlagen, weil sie sich wieder und wieder anhören durfte, das, was sie täte, habe sie sehr gut getan. Für eine Frau gut getan.
    Dennoch: Trotz vielen Hindernissen und dümmlichen Ideen heute noch bewunderter männlicher Denker. Rousseau anyone? Goethe? Die wussten genau, welchen Platz eine Frau hatte. Und konnten doch nicht verhindern, dass die Damen sich ihren Platz selbst suchten, besten Dank auch, die Herren. Und diese Damen stammten nicht alle aus begüterten und hochstehenden Familien; manch eine hat sich ihren Weg mühsam erkämpft und erarbeitet – mit Lesen lernen, Klinken putzen, außerhalb der Gesellschaft stehen, weitermachen.
    Und dann auf einmal hörte man ihnen zu, dann lobte man ihren neuen Roman oder den besonderen Federstrich, der ihre Gemälde auszeichnete. Auch Mätressen wie die Pompadour oder in etwas bescheidenerem Maße die Dubarry waren mehr als nur Geliebte eines Königs. Sie waren bestimmend für millionenschwere Branchen wie Mode, Malerei und Musik, die förderten eben jene Denker und Dichter, die es ihnen übel vergolten.

    Aber nicht nur in diesen eher schöngeistigen Bereichen waren Frauen tätig. Sie führten Geschäfte, oftmals nach dem Tod des Gatten, und es ist vielleicht von Bedeutung, dass Witwen nur selten nochmal heirateten. Wieso die schöne Freiheit aufgeben? Da wäre in Bonn beispielsweise die Witwe Koch gewesen, die den Gasthof Zehrgarten am Markt führte und die diesem Geschäft eine Buchhandlung unter demselben Dach zufügte. Ihre Tochter Barbara, Babette genannt, gehörte zum Freundeskreis rund um Ludwig van Beethoven und galt als die schönste, klügste, gebildetste Frau der Stadt, der alle zu Füßen lagen. Geheiratet hat sie erst mit über dreißig – auch das, das späte Heiraten, war etwas durchaus übliches zumindest in rheinischen Landen. Siebenundzwanzig war das Durchschnittsalter.
    Doch zurück zur Mutter: Die nämlich lebte bald schon mit einem Hausfreund zusammen, den sie niemals heiratete, Was ihrem guten Ruf, sogar beim Kurfürsten, keinen Abbruch tat. Natürlich war in diesem Jahrhundert nicht alles eitel Sonnenschein für Frauen, aber es war seit langer, langer Zeit endlich einmal so, dass man mit Hoffnung für die Töchter und Enkelinnen nach vorne blickten konnte. Und das auch tat.

    Blöd nur, dass mit der Revolution, die sich ganz, ganz schnell nur auf den Mann konzentrierte, das zuvor durchaus positive bürgerliche Ideal bestimmend wurde. Bürgerlich – das war im 18. Jahrhundert gleichbedeutend mit links (hätte es den Ausdruck schon gegeben), mit progressiv und gerecht. Der Adel galt als dekadent und unmoralisch – unmoralisch im Sinne von menschenverachtend, keiner Tugend wie Güte, Nächstenliebe, Mitleid und Aufrichtigkeit unterworfen. Das Bürgertum dagegen reklamierte für sich all diese guten Eigenschaften.
    Für was steht bürgerlich heute? Für konservativ, unbeweglich, spießig. Für enge Moralvorstellungen. Nicht ohne Grund, denn all die Tugenden waren keine Ideale mehr nach der Revolution, sondern Pflicht. Für Frauen. Jungfräulichkeit, Scham, Schweigen, Gehorsam – das galt auf einmal mehr, erzog man eine Tochter, als Rhetorik und Bildung, die eine Frau befähigt hätten, dem Gemahl echte Gefährtin zu sein. Nun war sie sein Besitz, mehr als zuvor. Im gesamten 19. Jahrhundert ging es Frauen deutlich schlechter als zuvor. Die Französische Revolution hatte mit ihnen abgerechnet – da war endlich auch die Gelegenheit des kleinen Mannes, mit diesen Frauen kurzen Prozess zu machen, die es gewagt hatten, sich zu amüsieren über männliches Gehabe, die sogar Stellen am Hof innehaben konnten, die gefeiert wurden als Künstlerinnen.

    Natürlich ist das eine sehr verkürzte Darstellung, absoluter und unbedingter geschildert, als es überall und für jede galt. Aber an so vielen Kleinigkeiten ist diese Veränderung gut abzulesen. Modezeichnungen beispielsweise: Schauten die Damen um 1780 stolz aus den Magazinen, so sah man mit dem Fortschritten des 19. Jahrhunderts immer öfter liebliche Zeichnungen von schüchternen Fräulein, die einander liebevoll umarmten und wie Lady Di von unten zum Zeichner aufzublicken schienen. Oder eine Jane Austen, die noch im Sinne des vorherigen Jahrhunderts erzogen worden ist, die einen Vater hatte, der es normal fand, dass seine Töchter alles lesen durfte, was in seinem Haus zu finden war – sie galt ihrer eigenen, nachgeborenen Familie als wenig vornehm, als schlecht erzogen, als viel zu unweiblich und peinlich. Was die Schwester Cassandra nicht aus Taktgefühl an Briefen vernichtet hatte, zerstörten nun die Neffen und Nichten aus Scham und Ekel.

    Bis man wieder von einer Zeit der Frau sprechen konnte, musste es 1925 werden. Und wir wissen, wie schnell diese Zeit wieder zu Ende war. Jetzt eben, heute, erleben wir den nächsten Backlash, den nächsten, schon wieder viel zu erfolgreichen Versuch, Frauen (und damit immer ein halbes Volk) zurückzudrängen und mundtot zu machen. Wenn Frauen in den USA wieder Angst davor haben müssen, ungewollt schwanger und damit dem sozialen Abstieg entgegenzusehen oder in einer lieblosen Ehe gefangen zu bleiben, dann haben sie nicht die Kraft, sich gegen andere Veränderungen zu wehren).

    Sicherlich ist es auch kein Zufall, dass Olympe auf dieser Zeichnung nicht nur zum Opfer der Guillotine wurde, sondern dazu noch mehr oder weniger nackt dargestellt wurde.

    Wie sehr die Revolution allein für den Mann gedacht war, machten die jeweils (ich füge schadenfroh und brutal hinzu: oft nur kurz) Herrschenden immer wieder klar. Es war nicht vorgesehen, dass Frauen wählen sollten oder gewählt werden konnten. Das einzige Recht, das sie mit den Männern teilten, war das Recht, hingerichtet zu werden. Als Olympe de Gouges (wer sie nicht kennen sollte, bitte googlen, sonst muss ich nämlich einen Roman über sie verfassen und gerade heute ist mir die Zeit doch ein wenig knapp :D) 1791 in Antwort auf die Zustände die Frauenrechtserklärung verfasste und dafür sehr, sehr, sehr viel Zuspruch – durchaus auch von, zu allen Zeiten auch vorhandenen, gerechten Männern – erhielt, geriet sie in Gefahr. Man behielt sie im Augen, hetzte gegen sie und andere Frauen. Sie, die aus kleinen Verhältnissen stammte und überhaupt erst das Lesen erlernen musste, war mit ihren Schriften eine ernstzunehmende Gegnerin der Verhältnisse und bald auch Robespierres.

    1793, kurz nach Marie Antoinette, wurde sie hingerichtet, bald nach ihr auch Madame Roland. Alle drei starben, so gestand man ihnen durchaus widerwillig zu, voller Würde, ruhig und scheinbar gelassen.
    (Dass das vielleicht der falsche Weg war, um die Schreckensherrschaft zu beenden, zeigte eine Aussage des Henkers Sanson, der meinte, wären alle so zum Schafott gegangen wie die unglückselige Dubarry, dann hätte es bald keine Hinrichtungen mehr gegeben. Die nämlich hatte gekämpft, um sich geschlagen, gebissen und gekratzte, sie hatte geweint, um Gnade gefleht und geflucht, bis das Publikum es kaum noch ertragen konnte und die Stimmung zu ihren Gunsten kippte. Sie verausgabte sich so sehr, dass sie vermutlich bewusstlos war, als man sie köpfte.)
    Aber Olympe de Gouges ging aufrecht in den Tod, still und gefasst. Die Zeitungen der Republik ließen keinen Zweifel daran, worin ihr Verbrechen bestand:

    So führt das Revolutionstribunal den Frauen ein wichtiges Exempel vor Augen, das zweifelsohne für sie nicht ohne Bedeutung sein wird. Denn die Gerechtigkeit, immer unparteiisch, stellt der Strenge die Lehre zur Seite […] Olympe de Gouges wollte Staatsmann werden, und es scheint, dass die Verschwörerin vom Gesetz gestraft wurde, weil sie die Tugenden, die ihrem Geschlecht gebühren, verleugnete. […] Frauen […] liebt, achtet und tragt die Gesetze weiter, die Eure Gatten […] an die Ausübung ihrer Rechte gemahnen […] Seid schlicht in Eurer Kleidung, fleißig in Eurem Haushalt. Geht niemals in die Volksversammlungen mit dem Wunsch, dort selbst zu sprechen…«

    (Salut Public, Organ der Republik. November 1793) über fembio

    Vermutlich hätte Madame de Condorcet schon damals dieselbe Antwort auf diesen Artikel geben können, die sie1795 Napoleon, damals noch General Bonaparte, gab. Der nämlich meinte bei einem Besuch in ihrem Haus:
    „Ich liebe es nicht, dass die Frauen sich in Politik mischen.“
    „In einem Lande, wo man ihnen die Köpfe abschneidet, ist es begreiflich, dass sie Lust bekommen zu wissen, warum dies geschieht.“
    Aber wenn es in den letzten Jahren der Neunziger noch einige einflussreiche Salons geistreicher Damen gab, änderte das nichts daran, dass für die Frauen die Revolution verloren war. Nur wenige Männer, eben Monsieur de Condorcet und der Abbé Sieyès, setzten sich für eine Verbesserung weiblichen Lebens ein.
    Wer sich übrigens ebenfalls für mehr Bildung und Mitsprache der Frauen stark gemacht hatte, war ausgerechnet Robespierre. Davon aber wollte er nichts mehr wissen, nachdem die Revolution voranschritt – er kam nach oben, weil er sich lange nach der herrschenden Meinung der Kollegen richtete und diese zu seiner eigenen machte. Von Frauen im Konvent wollten die meisten nichts wissen. Wie anders wäre nicht nur die Revolution, sondern die nachfolgende Geschichte überhaupt verlaufen, hätte er sich seiner früheren Überzeugung besonnen?

    Nun, im nächsten Jahrhundert werden immer mehr Schriften dazu veröffentlicht, wie eine Frau zu sein hat und wie nicht. Ihr Wirkungskreis beschränkt sich aufs Haus und auch da hat sie bitte demütig und gehorsam zu sein. Gerne auch hübsch und nett angezogen, aber vor allem hübsch sparsam und sittsam angezogen. An der Frauensterblichkeit durch Geburten ändert sich bald hundert Jahre lang nichts – Frauenmedizin ist nicht wichtig, das ist halt die Natur, da kann man nichts machen. Freiheit und Gleichheit – die hat man nur für andere erkämpft, für die Schwestern sicher nicht.

    Fassen wir noch einmal zusammen (mit Quellen):

    Das 18. Jahrhundert in Westeuropa gilt als Jahrhundert der Frauen, weil Frauen:

    • eine wichtige Rolle in der Kultur, der Literatur, der Philosophie und der Politik spielten. Sie organisierten Salons, schrieben Briefe, die zeitgenössische Ansichten und Anekdoten festhielten, veröffentlichten Werke unterschiedlichster Art (Romane, philosophische Betrachtungen und wissenschaftliche Abhandlungen) und beeinflussten das Denken ihrer Zeitgenossen durch all diese Unternehmungen.
      (vgl. Goodman, Dena: The Republic of Letters: A Cultural History of the French Enlightenment. Ithaca: Cornell University Press, 1994.)
    • mehr Bildung und Freiheit genossen als in früheren Jahrhunderten – die Zeit der Hexenverfolgung war noch nicht so lange her (ihr fielen vor allem Frauen zum Opfer). Sie konnten sich selbstständig machen, reisen, sich fortbilden und künstlerisch ausdrücken. Was sicherlich auch immer von den Umständen abhing. Vermögen, Charme und Schönheit halfen dabei beträchtlich.
      (vgl. Landes, Joan B.: Women and the Public Sphere in the Age of the French Revolution. Ithaca: Cornell University Press, 1988.)

    Die französische Revolution hat das gründlich geändert, indem sie:

    • die bestehende Gesellschaftsordnung zerstörte und eine neue schuf, die auf den Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit basierte. Diese Prinzipien galten jedoch nur für die männlichen Bürger, nicht für die Frauen. Wobei festzuhalten ist, wie viele Frauen die Ideale eines Rousseaus beispielsweise erstrebenswert fanden, ohne zu ahnen, einen wie schlechten Dienst sie sich damit taten.
      (vgl. Hunt, Lynn: The Family Romance of the French Revolution. Berkeley: University of California Press, 1992.
      Madame de Pompadour und die Macht der Inszenierung, 2014)
    • die Frauen von der politischen Beteiligung explizit ausschloss und ihre Rolle auf die Familie und die Nation beschränkte. Die Frauen wurden als Mütter, Ehefrauen und Töchter angesehen, die den Männern untergeordnet waren.
      (vgl. Scott, Joan W.: Only Paradoxes to Offer: French Feminists and the Rights of Man. Cambridge: Harvard University Press, 1996.)
    • die Frauen von der kulturellen Szene verdrängte und ihre Werke zensierte oder sogar vernichtete. Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. Sie wurden als gefährlich, unvernünftig und/oder unmoralisch dargestellt, die den Fortschritt der Revolution behinderten oder bedrohten. Das blieb auch noch so, als von der Revolution schon lange keine Rede mehr war.
      (vgl. Darnton, Robert: The Forbidden Best-Sellers of Pre-Revolutionary France. New York: W.W. Norton & Company, 1996.)

    Wie wäre es zum Schluss mit einem Zitat von Madame Roland? Die natürlich ebenfalls hingerichtet wurde – Gleichheit gibt es nur im Tod.

    “ En vérité, je suis bien ennuyée d’être une femme : il me fallait une autre âme, ou un autre sexe, ou un autre siècle. Je devais naître femme spartiate ou romaine, ou du moins homme français. […] Mon esprit et mon coeur trouvent de toute part les entraves de l’opinion, les fers des préjugés, et toute ma force s’épuise à secouer vainement mes chaînes. O liberté, idole des âmes fortes, aliment des vertus, tu n’es pour moi qu’un nom !“

    “Ich bin wahrlich sehr verärgert, eine Frau zu sein: Ich bräuchte eine andere Seele oder ein anderes Geschlecht oder ein anderes Jahrhundert. Ich hätte als spartanische oder römische Frau geboren werden sollen oder zumindest als französischer Mann. […] Mein Verstand und mein Herz stoßen überall auf Hindernisse in Form von Meinungen und auf Fesseln des Vorurteils, und all meine Kraft wird vergeblich verschwendet, um meine Ketten abzuschütteln. O Freiheit, du Idol der starken Seelen, Nahrung der Tugend, du bist für mich nur ein Name!”

    Erinnerungen von Madame Roland – Jeanne-Marie oder Manon Philippon (1754-1793).
  • Marie Antoinette: Nach Paris.

    Marie Antoinette: Nach Paris.

    Vor über 220 Jahren, zweieinhalb Wochen vor ihrem 38. Geburstag, verlor Marie Antoinette ihren Kopf zum letzten Mal. Und ist damit die dritte Königin in meiner Reihe geschichtlich bedeutender Frauen, die eines gewaltsamen Todes starb. Doch während Anne Boleyn und Maria Stuart als Königinnen und in einer ungefähren Privatheit starben, eingehüllt in morbide Würde und dem Bewußtsein historischer Bedeutung, wurde Marie Antoinette einer blutberauschten, feindlichen Menge vorgeführt.
    Doch nicht nur der Tod verbindet diese drei Frauen: Frankreich mit seiner Kultur, seiner Mode, seiner Redekunst spielte eine wichtige Rolle für jede von ihnen. Dazu wurden und werden alle drei bis heute als Schlampen, als unsittliche und egoistische Weibsbilder beschimpft und verleumdet. Im Falle Marie Antoinettes nahm diese Verleumdung ein nie gekanntes Ausmaß an; jeder Shitstorm heute ist eine sanfte Brise gegen all die Pamphlete, von denen eine ganze Industrie lebte und die ihr alleine gewidmet waren. Und noch etwas verbinden Anne Boleyn und Marie Antoinette: sie waren die beiden Frauen, von denen Wallis Simpson so fasziniert war, dass sie über sie las, was sie nur finden konnte – so schließen sich manche Kreise an unerwarteter Stelle.

    Die jüngste Tochter Maria Theresias, Kaiserin Östereichs und Königin der Ungarn, starb als Witwe Capet nach Jahren des Grauens alleine und verhaßt unter dem Fallbeil der Guillotine. Nicht unbedingt das Schicksal, das königlichen Kindsbräuten vorherbestimmt war. Wie kam es dazu? War sie wirklich die grausame Bestie, die gleichgültige Hure und die das französische Volk aussaugende Ausländerin, die die Schuld an ihrem Schicksal trug? Oder war sie die heroische Gestalt, als die sie in manch royalistischem Forum gilt? Eine nur zufällig real existierende Person, die durch ihre Lebenstragödie den Liebhabern von Kitsch und Tratsch herrlich tränenumflorte Augenblicke unendlicher Romantik bietet – gleich neben einem triefnassen Mr. Darcy und einer photogeshoppten Sophie Scholl? Die Originalbarbie gar, die sich ihre Welt rosarot malte, bis sie dem wahren Leben ins Gesicht schauen musste? Oder aber eine Frau, deren Lebensweg sich kaum eine von uns wünscht und die durch ihre Persönlichkeit nicht für die Umwälzungen gemacht war, die auf die Gesellschaft des Rokoko zukam?

    Maria Theresia im Kreise ihrer Familie

    Am 2. November 1755 wurde in Wien wieder einmal eine kleine Erzherzogin geboren; Maria Theresia und Franz Stephan von Lothringen hatten aus Liebe geheiratet und sich diese auch über 16 Kinder hinweg erhalten. Nicht nur das war ungewöhnlich in dieser Zeit, sondern auch die klare Rollenverteilung der Familie: während Mama sich um einen großen Teil Europas kümmerte und Königsbräute und -gatten für dessen Höfe bereitstellte, besorgte Papa den Haushalt und war für Kind und Katz zuständig. Trotz der königlichen Herkunft war das Leben der Habsburger Kinderschar frei und unbeschwert: was Mama nicht erlaubte, ließ Papa doch zu. Zwar hatte die Kaiserin für all ihre Kinder einen strengen Bildungsplan entworfen, doch gelang es gerade der kleinen Maria Antonia Josepha Johanna, allzu viel Lernerei aus dem Weg zu gehen und sich mit Musik, Tanz und Theater zu amüsieren – auch dies waren Beschäftigungen, die von den Eltern gerne gesehen wurden, war doch die ganze Familie musikbesessen. So kam es auch zu der viel berichteten Anekdote, in der das Wunderkind Wolfgang Amadeus kundtat, Maria Antonia heiraten zu wollen – gar zu neckisch waren die beiden Kinder in ihrer Tändelei anzusehen; niemand ahnte, dass beiden kein langes und glückliches Leben gegönnt sein würde.

    Als sie zehn Jahre alt war, starb der geliebte Vater, der für seine Kinder der Mittelpunkt der Familie war; ihre Trauer war sicher groß, doch spielten die Gefühle von Kindern keine Rolle, wenn es um Politik ging. Nachdem die Kaiserin das jahrhundertealte Motto des Hauses Habsburg „Tu, felix Austria, nube“ – „Du, glückliches Österreich, heirate“ (im Gegensatz zur gewaltsamen Gebietsübernahme anderer Häuser, so weit die Theorie) – besser umsetzte als alle ihre Vorgänger, sollte nun ihr ehrgeizigstes Projekt Realität werden: der endgültige Frieden mit dem Erbfeind Frankreich. Mit Bourbonen aller Linien waren schon viele ihrer älteren Kinder verheiratet worden, nun sollte der Hauptgewinn errungen werden: der Dauphin, Thronfolger Frankreichs.
    Übrig blieb Maria Antonia, die nun erst von ihrer Mutter genau betrachtet wurde. Zwar hatte auch dieses Kind sich fügen und seit frühester Kindheit ein Korsett tragen müssen, um königliche Haltung zu erlangen und zu bewahren, doch ansonsten erschien sie der Kaiserin noch seltsam kindlich und unperfekt. Maria Antonia war 11 Jahre alt, neigte zum Träumen, konzentrierte sich schlecht und selten, trällerte und tanzte den Großteil des Tages vor sich hin und galt als freundliches und munteres Mädchen, das keinerlei Interesse an hochgeistiger Literatur oder tiefsinnigen Gesprächen hatte. Da lag einiges an Arbeit vor beiden, Mutter wie Tochter.
    Es wurden französische Lehrmeister bestellt, die sie mit Sprache, Tanz, Kleidung und vor allem der Etikette des französischen Hofes vertraut machen sollten. Von nun an wurde jeder Schritt und jedes Wort der jungen Erzherzogin wahrgenommen und weiter getragen, sowohl zur Kaiserin wie auch zum französischen König. Kein Vater war mehr da, der mit ihr scherzte und spielte, dafür gab es Regeln, Regeln, Regeln. Sie fügte sich – oberflächlich. Und nahm doch keine der Vorschriften und Vorhaltungen ernst. Sie spielte und tändelte und sonnte sich in der Aufmerksamkeit, die bislang niemals ihr gegolten hatte. Bei einem Stall voller Geschwister und einem Weltreich als Konkurrenz kein Wunder.

    Die 16jährige Marie Antoinette

    Und dann kam der große Augenblick, auf den ihre Mutter hingearbeitet hatte: Ludwig XV. bat für seinen Enkel, den Dauphin, um die Hand Maria Antonias. Ihre Mutter sei ambivalent gewesen, so schimmert es durch die Quellen. Endlich hat sie ihr Ziel erreicht, doch bei einem Blick auf ihre (trotz allem) geliebte Tochter wird es ihr anders: ihre Ausbildung lässt so sehr zu wünschen übrig wie ihre Einsicht und ihr Verständnis für das, was um sie vorgeht und was es bedeuten wird, die Dauphine und eines Tages die Königin Frankreichs zu sein. Immer wieder führt sie ernste Gespräche mit diesem gutmütigen und offenem Mädchen, aber ihre Aufmerksamkeit kann sie nur selten erringen und sie zweifelt, ob ausgerechnet dieses Spielkind der Aufgabe gewachsen sein wird, Frankreich mit ihrem Mann zu regieren, der als mundfaul, unsicher und ungelenk gilt. Auch ist ihr der französische Hof mit seinen Maitressen, seiner Dekadenz und Verschwendungssucht nicht angenehm – ein größerer Gegensatz zu dem sittenstrengen und eher kargen Haushalt der Habsburger ist kaum vorstellbar. Ja, Maria Theresia macht sich große Sorgen um ihre Tochter. Doch das Ziel ist erreicht und so findet die Hochzeit zwischen den beiden Jugendlichen statt.

    Unsere kleine Erzherzogin ist 14 Jahre alt, als sie am 19. April 1770 in Wien verheiratet wird. Der Bräutigam ist nicht anwesend, denn die eigentliche Hochzeit soll in Frankreich stattfinden. Ein von Frankreich entsandter Diplomat füllt den Platz des Dauphins stellvertretend aus. Noch ist sie zu Hause, noch hat ihre Mutter Zeit, ihr alles Wichtige mitzugeben – in den letzten Wochen schlafen Mutter und Tochter im gleichen Gemach und sicherlich wird Maria Theresia auch Aufklärung über das Wesen des Ehebettes gegeben haben; auch in ihren späteren Briefen an die Tochter wird sie immer wieder nachfragen, nachhaken und drängen: verschaffe dir den Thronfolger!
    Zwei Tage nach der Stellvertreterhochzeit verlässt Maria Antonia Österreich für immer und macht sich auf den Weg in ihre Zukunft. Doch vor der Ankunft in Paris steht noch ein mittelalterlicher Brauch, der ihr nicht erspart wird, trotzdem wir uns im Zeitalter der Aufklärung befinden. Die Franzosen schätzen ihre ausländischen Bräute nicht besonders und wünschen entweder eine möglichst rasche Anpassung oder aber eine Königin, die in ihrer Seltsamkeit zurückgezogen und unsichtbar im Palast lebt. Die beiden letzten Königinnen, aus Spanien und Polen stammend, wurden von niemandem beachtet und konnten sich so in Ruhe ihren Stoßgebeten, Stickereien und Schokoladen widmen; politisch und gesellschaftlich spielten sie keine Rolle und das wurde auch nicht von ihnen erwartet. Für den Glanz den Hofes, seine Mode und seinen Esprit war die Maîtresse en tître, die offizielle Geliebte des Königs, zuständig. Madame de Montespan für Louis XIV. und Madame de Pompadour für Louis XV. waren die perfekte Besetzung für dieses Amt. Und hier dürfen wir einmal spekulieren, wie Antonias Leben verlaufen wäre, hätte sie noch Madame de Pompadour treffen dürfen anstatt ihrer Nachfolgerin Madame Dubarry. Aber das führt uns heute doch zu weit (wobei, ich muss das jetzt sagen: hätte ich jemanden treffen dürfen aus der Geschichte, es wäre Jeanne-Antoinette Poisson gewesen).

    Nun, Maria Antonia sollte und musste zu Marie Antoinette werden und nichts österreichisches sollte an ihr verbleiben und das war ernst gemeint. Am 7. Mai trifft sie mitsamt ihrem Gefolge auf einer unbewohnten Rheininsel vor Straßburg ein, wo sie dem französischen Volke übergeben wird. Dem voraus gingen unendliche Streitereien zwischen den Diplomaten beider Länder – statt eines Bündnisses fand hier ein Wettbewerb statt um Einfluß, Rechthaberei und Vormachtstellung. Es wurde ein Pavillon errichtet mit drei Räumen. In den ersten trat Maria Antonia als Österreicherin, die sich dort all ihrer Kleidung und all ihrer Gefährten entledigen musste. In den zweiten Raum kam sie als Braut, die um die Aufnahme in Frankreich bittet. Eine Vierzehnjährige, die beim Abschied von ihrer Mutter bitterlich weinte und nun nackt und bloß vor fremden Menschen stand, die ihr diese Prozedur um ihrer eigenen Wichtigkeit wegen zumuteten. Schnell wurde sie in das dritte Räumchen geführt, in dem sie mit den prachtvollsten Kleidern und Preziosen ausgestattet wurde, die Frankreich zu bieten hatte – ein komplettes Makeover sozusagen, das aus ihr Marie Antoinette, Dauphine von Frankreich, machte. Das ist Stoff, aus dem Märchen gemacht werden.

    Marie Antoinette und Louis Auguste – Liebe kann warten

    Die Reise ging über Straßburg nach Paris, es gab Feste über Feste und schon leicht erschöpft traf Marie Antoinette auf den König und den Dauphin. Während Ludwig XV. strahlend auf sie zueilte, sie herzte und drückte, mit ihr lachte und scherzte (wobei der Hof bemerkte, dass der Frauenheld ihre Reize durchaus mehr zu schätzen wußte, als es ihm als ihrem „lieben Großvater“ zugekommen wäre), stand der Dauphin mißmutig daneben und reichte ihr nur widerwillig Hand und Wange zu Gruß und Kuß. Schwerfällig, mit hängenden Schultern und schweigend war er der Einzige, der in diese tagelangen Festlichkeiten nicht passte. Von Feier zu Feier wurden die beiden geschleppt, jubelnde Menschenmassen allerortens. Marie Antoinette war überwältigt, erfreut, müde. Ihre Frische, ihre Schönheit, ihre Jugend, ihre entzückende Art, sich überschwenglich zu freuen, wurden gelobt; Millionen Franzosen hätten sich heute in sie verliebt, so bekommt sie von einem Mitglied des Hofes zu hören. Mit ihrem Mann, den sie am 14. Mai offiziell heiratet, hatte sie kaum eine Sekunde alleine. Aber sie wird das kaum bemerkt haben, zu aufregend ist alles um sie herum. Sie mag in diesen ersten Tagen das Gefühl gehabt haben, endlich angekommen zu sein: diese ständige Musik, die Schauspiele, die opulenten Feste: sie sind, was sie in Wien vermisste, ohne es zu kennen. Tändeln, Tanzen und Spielen den ganzen Tag lang. Doch zum Ende der Feierlichkeiten am 30. Mai fällt ein erster Schatten auf ihr neues Leben: während eines Feuerwerkes bricht eine Massenpanik aus und über hundert Menschen sterben, hunderte werden verletzt. Einige Jahre später wird man die Königin auch hierfür verantwortlich machen.

  • Marie Antoinette: Versailles

    Marie Antoinette: Versailles

    Versailles, das Schloß, seine Gärten und Parks sind Pracht, Perfektion und Pomp. Sein Hof ist frivol, bigott, geistreich: ein Bonmot zählt mehr als Freundschaft, Affären sind prickelnder Zeitvertreib und Spiel mit dem Feuer – manchmal treffen Hohn und Spott die Betrügenden, machmal den Betrogenen und zerstören Karriere und Fortkommen. Doch was an der Oberfläche spielerisch, unmoralisch erscheint, ist durch ungeschriebene Gesetze streng geregelt; was dem einen recht ist, ist dem anderen noch lange nicht billig. Ein jedes Mitglied dieser Gesellschaft bewegt sich auf seinen unsichtbaren Gleisen, erscheint, wo es zu erscheinen hat, sagt und spricht das zu Erwartende. Alles, wirklich alles, ist geregelt: wer wem den Vortritt lässt, welcher Spaziergang zu welcher Zeit stattfindet, wer wen grüßt und was es bedeutet, wenn das Schönheitspflästerchen links statt rechts getragen wird. Klatsch und Tratsch, Eifersucht und Mißgunst gedeihen unter dem Firnis geschliffener Rhetorik und immer ausgefallenerer Modeexzesse.

    Und in dieser Umgebung findet sich die Dauphine Marie Antoinette wieder – die kleine Erzherzogin, die längst all die Ratschläge ihrer Frau Mama vergessen hat und wenig Einsicht in die Handlungsweisen der französischen Aristokratie hat. Die Tafel, an der sie jeden Tag vor Publikum zum Essen Platz nimmt, versammelt keine miteinander schwatzende und liebende Familie. Der Dauphin spricht kaum ein Wort – sowohl die Unmengen an Essen, die er in sich hinein schaufelt, als auch seine Schüchternheit verhindern das. Der König bemüht sich um das junge Mädchen, lässt wohl auch einmal anzügliche Bemerkungen fallen, die seiner Maitresse Gräfin Dubarry gelten.

    Madame Dubarry

    Die Dubarry ist fröhlich, wenig zurückhaltend und nimmt ihre Aufgabe, Ludwig XV zu unterhalten, sehr ernst. Marie Antoinette ist in ihrer Unschuld reizend und sorgt für verlegenes Gelächter, als sie erklärt, sie wolle der Madame Dubarry Konkurrenz sein und ihren lieben Großpapa eben so gut unterhalten. Ihre Tanten, die unverheirateten Töchter des Königs mit der Sorge, zu wenig be- und geachtet zu werden und einem Haß auf die Dubarry, nehmen die Dauphine gar selbstlos zur Seite und klären sie über die Natur der königlichen Unterhaltung auf. Marie Antoinette ist rechtschaffen empört; eine solch liederliche Frauensperson wäre in der Hofburg undenkbar, unmöglich könne sie Umgang mit ihr haben und so schneidet sie die Dubarry. Die Tanten freuen sich und feuern das junge Mädchen weiter an.
    Die Dubarry, die tagtäglich gegen die Arroganz der Höflinge ankämpft und ihren Platz sichern will, darf die Dauphine von sich aus nicht ansprechen – mit steigendem Amusement betrachtet der Hof das tägliche Schauspiel einer um Anerkennung bemühten Maitresse und einer zu jungen, zu naiven Prinzessin, die nicht bemerkt, wen sie in Wahrheit brüskiert und verärgert: den König, der ein solches Benehmen nicht duldet, jedoch von der Dauphine ignoriert wird. Der Hof jubelt.

    Marie Antoinette, Dauphine de France

    Doch auch Maria Theresia in Wien erfährt durch ihren Botschafter, den treuen Mercy-Argenteau, von dem bald zwei Jahre anhaltendem wortlosen Streit. Es dürfte der Kaiserin nicht leicht gefallen sein, dem politischem Nutzen vor ihrer Moral den Vortritt zu geben und von ihrer Tochter zu verlangen, die Sittenstrenge beiseite zu lassen und der Dubarry endlich den größten Wunsch zu erfüllen – ein freundliches Wort der Dauphine in aller Öffentlichkeit. Ein, zweimal glaubten sich König und Maitresse schon am Ziel; heute würde die Dauphine der Dubarry die Ehre erweisen, doch Antoinettes Stolz und die Tanten sorgten für Enttäuschung.
    Endlich muss Marie Antoinette klein beigeben. Unter den gierigen Augen der anwesenden Aristokraten bleibt sie bei der in die Knie sinkenden Gräfin stehen und spricht die Worte, die auch heute noch manch Besucher des Schloßes zitiert: es seien viele Leute heute in Versailles. Sehr deutlich hören die Umstehenden die Überzeugung der Dauphine heraus, es sei wenigstens eine zuviel, doch die Dubarry hat ihr Ziel erreicht.

    Marie Antoinette spricht nie wieder mit der Gräfin und vielleicht hat sie nie begriffen, wie viel Schaden dieser kindische Streit angerichtet hat: der König ist ihr gegenüber kühler, die Tanten ob ihres Umfallens entrüstet und erbost und der Hof ist sich einig, dass die Dauphine keine Französin ist und niemals sein wird; so amüsiert sie sind, so sehr empören sie sich über Marie Antoinettes Unwissenheit und nicht-regelkonformes Verhalten.

    Hätte sie es besser wissen können und müssen? Man hatte ihr Madame Noailles zur Seite gestellt, die streng über das Benehmen der Dauphine wachte, ihr Chaperone, Gesellschafsdame und Lehrerin zugleich sein sollte. Ein ältliches Fräulein Rottenmeier ist sie, von der Dauphine spöttisch Madame l’etiquette benannt. Antoinette fühlt sich von Madame Noailles gegängelt wie von all ihren bisherigen Lehrmeistern und macht sich einen Spaß daraus, ihr zu entkommen, sie zu parodieren und weg zu hören, wenn sie ihr die Gesetze des Hofes erklärt. War sie denn noch immer ein Schulmädchen oder die zukünftige Königin? Sollte sie ihr Leben und ihre Stellung nicht geniessen?
    Ein Leben, in dem ihr wohl nahezu alle Wünsche an Kleidung, Nahrung und Unterhaltung erfüllt werden, jedoch kein Schritt unbeobachtet bleibt. Was immer sie tut, eine Schar Höflinge ist um sie herum, immer auf der Lauer nach einem Posten, einer Anekdote, einer unbedachten Äußerung. Antoinette fühlt sich eingeschränkt und zeigt im Laufe der Jahre ihre Verachtung für sinnentleertes Protokoll überdeutlich. Ihre Jugend, ihr offenes Wesen und ihr anfangs uneingeschränktes Vertrauen in die Menschen, die ihr nahe stehen und die Wiener Heimat ersetzen sollen, führen dazu, dass sie in Intrigen und Ränkespiele hinein gezogen wird, die sie nicht durchschaut. Ihre Sehnsucht nach Freundschaft lässt sie Zuwendung mit Zuneigung verwechseln; die meisten, die sich ihr nähern, kommen mit selbstsüchtigen Wünschen, die sie freudig gewährt.

    Princesse de Lamballe

    Antoinette begann ihren Alltag mit Vergnügungen zu füllen: von den intriganten Tanten hatte sie sich abgewandt, die ihren Lebenswandel mit Abscheu betrachteten und das ihrige zu Antoinettes Verleumdung beitrugen. Mit ihrer neu gewonnen Freundin Marie Louise de Savignon-Carignan, der Princesse de Lamballe, besucht sie in schlecht getarntem Incognito Bälle in Paris, verspielt Unsummen beim Pharo, engagiert die Kleidermacherin Rose Bertin für immer ausgefallenere Kreationen, amüsiert sich mit ihrem vergnügungssüchtigen Schwager und verlacht all die steifen und alten Hofchargen um sich herum. Bis heute wird ihr Charakter nach diesem Verhalten gewertet – von einem pubertierenden Teenie, der über Nacht zu Reichtum und Ruhm gelangt, kann man wirklich mehr erwarten als Albernheiten und Überschwang! Immerhin ist sie die nächste Königin Frankreichs, dazu Ehefrau und hoffentlich bald Mutter. Zu irgendetwas muss diese Ausländerin doch gut sein!

    Marie Antoinette in ihrem Salon

    Am 10. Mai 1774 starb der einstmals vielgeliebte Louis XV. Aus dem Thronfolgerpaar, 19- und 20jährig, wurden König und Königin. Während das Volk enthusiastisch auf Veränderung hoffte und große Erwartungen an das Paar hatte, war den beiden angst und bange – zu jung seien sie, so habe Antoinette unter Tränen beteuert und Gott um Hilfe angefleht, berichten verschiedene Augenzeugen. Es dauert nicht lange, bis sie den nächsten Fehler begeht und neue Feinde findet: getreu ihrer Aufgabe als Friedensstifterin zwischen Frankreich und Österreich sorgt sie für die Entlassung österreichfeindlicher Regierungsberater. Nicht nur die Tanten nennen sie nun „l’Autrichienne“ – die Österreicherin. Oder „die andere Hündin“, ändert man Schreibweise und Aussprache minimal. Längst ist die Königin an dem Punkt, an dem sie tun und lassen kann, was sie will – immer findet sich jemand, der ihr deswegen gram und feind sein wird. Immer mehr Geschichten und Gerüchte verbreiten sich, auf Wahrheit gründend oder auf Vermutung, zu Lüge und Hetze entstellt.

    Dauphin Louis Auguste

    Vom Gatten erhält sie ein Schlößchen, das Petit Trianon, ein wenig entfernt vom Versailler Palast, um sich dort von Kontrolle und Eitkette zu erholen. Geladen sind nur diejenigen unter den Höflingen, die jung, munter und freundschaftlich mit ihr stehen – sie sieht sich als junge Frau, die ein wenig Zeit mit Freunden verbringt; die nicht Geladenen jedoch sehen die Königin, die beleidigt und demütigt – in ihren Augen ist das Petit Trianon schlimmer als Sodom und Gomorra. Und das Volk, das in immer schlimmeren Verhältnissen existiert, erfährt von unnötiger Verschwendungssucht und ausschweifenden Orgien der Blutsaugerin durch Bildtafeln, die an Deutlichkeit nicht zu mißdeuten sind. Wann endlich ändert sich etwas? Wo bleibt die Hoffnung, die noch an königliche Nachkommenschaft geknüpft ist? Wo bleibt der nächste Dauphin, so fragt auch die Kaiserin aus Wien immer dringlicher.

    Aber es tat sich nichts. Buchstäblich nichts. Nicht nur, dass Antoinette nicht schwanger wurde, nein, sie war nach Jahren der Ehe noch so unschuldig wie bei ihrer Ankunft. Ludwig, der muffig-schweigsame, etwas plumpe und gehemmte junge Mann, fühlte sich in der Gegenwart seiner Gattin noch gehemmter und unsicherer; die Tändeleien und Spötteleien ihres Freundeskreises fielen ihm auf die Nerven und das tägliche öffentlich zu Bett gelegt werden, half der Beziehung auch nicht weiter. Die Schuld für die nichtvollzogene Ehe, das Ausbleiben des Thronfolgers gab man, wie könnte es anders sein, Marie Antoinette. Was könnte einem nur mäßig aufgeklärten Backfisch leichter fallen, als den phlegmatischen Gatten zu leidenschaftlichen Turnübungen zu verführen?

    Einer der harmlosen Stiche

    So langsam kam eine Industrie in Schwung, die bislang nur vor sich hindümpelte: Pamphlete und Hetzschriften, in denen Antoinette als Ehebrecherin, schlampige Gattin und nicht nur den Mann, sondern das Volk betrügende Ausländerin dargestellt wurde, machten die Runde. Es waren vor allem die Höflinge, die diese Schriften in Auftrag gaben oder auch selbst schufen; nicht zuletzt die Brüder Ludwigs ließen ihrem Witz, ihrem Neid und Ehrgeiz freien Lauf – nicht ahnend, wem das Verhetzen eines hungernden Volkes nutzt. Den Auftraggebern nicht, das würden sie noch begreifen.
    Ein besonderes Vergnügen bereitete es manchen, diese Blätter in Antoinettes Nähe zu platzieren, so dass die junge Frau mit pornografischen Darstellungen ihrer selbst konfrontiert wurde. Dazu die ständigen Briefe ihrer Mutter, die mittlerweile ihrer Tochter explizite Anweisungen sandte, wie sie den Gatten in Hitze bringen könne. Antoinette ließ die Schreiben äußerlich gleichgültig zu Boden gleiten und kümmerte sich um ihr Vergnügen, das alles Unangenehme überdecken sollte. Wäre Ludwig nur etwas weniger feige und etwas interessierter gewesen: eine Vorhautverengung sorgte für Schmerz, sobald er an eheliche Pflichten nur dachte und eine kleine Operation, ein winziger Schnitt, war die Lösung. An die er sich nicht wagte.
    Bis sieben Jahre nach der Hochzeit sein Schwager Joseph, Kaiser von Österreich, ihn beiseite nahm und ihm ins Gewissen sprach – als König von Frankreich müsse er seine Pflicht Gattin und Vaterland gegenüber erfüllen. Ludwig wagte es und Marie Antoinette erfurh, um was es in den Pamphleten ging. Dass die Tanten vom Neffen zu hören bekamen, das körperliche Vergnügen sei noch größer als gedacht und er bedauere, so lange gezögert zu haben – das mag uns zum Schmunzeln bringen, erhöhte deren Hass auf die Königin jedoch. Wo immer Antoinette erschien, irgendwer hatte einen Groll gegen sie.

    Am 18. Dezember 1778 bringt Marie Antoinette ihr erstes Kind, Marie-Thérèse, Madame Royale, zur Welt. Allein die Berichte über diese Geburt sind ein solcher Horror, dass ich bereit bin, ihr fast alles nachzusehen: Kaum setzen die Wehen ein, scharen sich etwa 50 Höflinge um ihr Bett, das in einem nicht zu großen Raum steht, dessen Fenster geschlossen sind. Es ist eine lange und schwere Geburt, die vielen Menschen nehmen ihr wortwörtlich die Luft zum Atmen.
    Immer stickiger und heißer wird es und als das Kind endlich geboren ist, verliert die Königin das Bewußtsein mit dem Ausspruch, sie sterbe. Blut entfließt ihrem Mund, der Arzt fordert Platz, Luft und einen Aderlaß. Ludwig erweist sich jetzt nicht nur als treusorgender Gatte, sondern als zupackend wie nie zuvor oder je wieder danach: er stößt jeden beiseite, der zwischen ihm und den Fenstern steht, um dort festzustellen, dass diese sich nicht mehr öffnen lassen – seit Jahrzehnten waren sie nicht genutzt worden. Ohne lange zu zögern, zertrümmert er die Fenster und lässt die Dienerschaft die gesamte Bagage grob aus dem Raum werfen. Von nun an muss die Königin nicht mehr unter Zeugen gebären, als wäre sie die Attraktion eines Wanderzirkus.

    Mit Schwägern und Kindern

    Noch drei weitere Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen, brachte Antoinette zur Welt, doch Madame Royale sollte die einzige sein, die das Erwachsenenalter erreichte. Der Dauphin starb im Juni 1789, was sicherlich auch ein Grund ist, weshalb die vom Volk entfernte Königin von den sich abzeichnenden Ereignissen nichts mitbekam. Ein Fakt, der erstaunlich selten betrachtet wird. Das zuletzt geborene Mädchen starb schon 1787 mit elf Monaten. Für Antoinette, die mit vielen einander zugetanen Geschwistern groß geworden war, müssen diese Todesfälle unendlich schmerzhaft gewesen sein.

    Die leere Wiege der verstorbenen Tochter …

    Marie Antoinette als Mutter zeigte sich anders als die junge Königin: ständige Bälle, Glücks- und Kartenspiel, ihre Theateraufführungen und heimlichen Ausflüge waren Vergangenheit; mit viel Liebe wandte sie sich ihren Kindern zu. Auch die immer größeren Roben und Kopfaufbauten waren vergessen. Sie bemühte sich um einen schlichteren Lebensstil. Aber wie könnte es anders sein: auch das war nicht recht. Waren ihre Ausgaben vorher zu hoch, so warf man ihr nun vor, Schäferin zu spielen und im Hemd herumzulaufen, was einer Königin von Frankreich nicht angemessen sei – nun wolle sie auch noch die Seidenweber und Modistinnen in den Hungertod treiben. Irgendetwas ist ja immer, immer ist etwas. Hass und Hetze brodelten nur selten unterbrochen weiter hoch.

    Sozusagen ein Make over.
    Vorher …
    … und nachher

    Lasst mich bitte einschieben: über Marie Antoinette einen kurzen Abriss schreiben zu wollen, ist nahezu unmöglich – mir ja sowieso. Zum einen kann man ihr nicht gerecht werden und zum anderen ist ihre Zeit, ihre Umgebung unglaublich gut dokumentiert. Der Adel schrieb und schrieb und schrieb und Privatheit gönnte man ihr nicht – und die Geschichten und Geschichtchen über sie gehen in die Tausende. Jede einzelne ist ein Baustein, ein Zahnrädchen in dem vorwärts treibenden Uhrwerk, das ihre verrinnende Zeit tickend begleitet. Immer wieder frage ich mich beim erneuten Sichten dieser Erzählungen, ob ihr Leben anders verlaufen wäre, hätte sie hier anders entschieden, diesem Menschen nicht vertraut oder jenes Wort verschwiegen. Doch am Ende sind es nicht die von ihr gesagten Worte und begangenen Taten, es ist das durch Hass und Gier erbaute Lügengeflecht, das sie zu Fall bringen wird. Was Hetze, üble Nachrede und Lügen anrichten können: hier sehen wir es klar und deutlich.

    Es ist ungerecht: seit Jahrhunderten hatte Frankreich endlich ein Königspaar, das mit den besten Absichen antrat, das die verhasste Maitressenwirtschaft (denn bislang waren die oft hochgebildeten und den jeweiligen König positiv beeinflußenden Geliebten die Sündenböcke für alles gewesen) abschaffte und neuen Ideen im Rahmen ihrer gottgegebenen Größe offen gegenüber stand. Ein Sonnenkönig hätte viel früher, viel härter eingegriffen, um jedes noch so gerechtfertigte Murren zum Schweigen zu bringen.

    Unter all diesen Geschichten finden sich

    • die berühmte Halsbandaffäre, die wie Pech an ihr klebte und ihr neue Feinde brachte.
    • Die adoptierten Kinder, für die sie sorgte – der Wunsch nach Kindern und Familie war groß und treibend.
    • Ihre immer wieder unternommenen Ausflüge in die Politik, vor allem, wenn es um die Beziehungen zu Österreich ging.
    • Natürlich wurde auch ihr, wie bald allen Königinnen und Maitressen vor ihr, unterstellt, sie habe den Armen das Kuchen essen empfohlen, so sie kein Brot hätten.
    • Die Freundinnen: nach der Princesse de Lamballe, die eine reiche, sehr zurückhaltende Frau von sanftem Wesen war, trat Gabrielle de Polignac auf den Plan, die an sich raffte, was sie nur erhalten konnte und ihrer Familie Posten zu verschaffen wußte – beide wurden in den nicht versiegenden Hetzschriften als lesbische Geliebte der verderbten Königin gehandelt.
    Hans Axel von Fersen

    Und zu guter Letzt ist da Axel von Fersen, ein schwedischer Aristokrat mit deutsch-baltischen Wurzeln. Er war – was sonst – gut aussehend, charmant und geistreich. Aber wer ihn näher kannte, beschrieb ihn auch als selbstverliebt, arrogant, schwermütig und als gefühlskalten Schürzenjäger. Zwar schrieben sich von Fersen und Antoinette leidenschaftliche Liebesbriefe und verbrachten gerne Zeit miteinander, doch ist eine echte Beziehung, eine Affäre unwahrscheinlich – wir wissen es ja schon: Privatheit gab es für die Königin kaum. Vieles spricht für eine Beziehung, die bewußt platonisch und eher Minne als Liebe war.

    Um die Königin herum vibrierte es vor Erotik, Klatsch und Tratsch und sie war mit einem Mann verheiratet, der am glücklichsten in seiner Schlosserwerkstatt und bei der Jagd war. Der ihr treu und freundlich zugetan, aber eben weder ein Adonis noch ein Casanova war. Axel von Fersen mag ihre Phantasie angeregt haben, es mag geprickelt haben – für die Traumtänzerin, die sie noch immer war, wahrscheinlich ausreichend. Von Fersen hingegen scheint sich vor allem in der Aufmerksamkeit einer Königin gesonnt zu haben; abwechselnd sprach er Freunden gegenüber entweder schmachtend von „der einzigen Frau, die ich liebe, aber nicht besitzen kann“ oder aber er gab zu verstehen, dass er die Zuneigung der Königin großzügig erdulde. Was immer er empfand, es hielt ihn nicht von Beziehungen zu anderen Frauen ab.

    Über all dem, den Geburten und den Todesfällen, den Skandalen, Mißverständnissen und Affären, den wechselnden Moden und Marotten, verging die Zeit und das Volk hungerte. Nur um den nachbarlichen Erbfeind auf der Insel zu ärgern, entsandte Frankreich den Amerikanern eine Armee, die sie in ihren Bestrebungen nach Unabhängigkeit von der englischen Krone unterstützte. Mit den zurück kehrenden Soldaten kamen neue Ideen von Freiheit und Gleichheit ins Land, mit denen der Adel kokettierte, Bürgertum und dritter Stand aber arbeiteten …