Des Zwistes 3. Teil


Maria Stuart war nun also die Flucht aus ihrer Haft gelungen und stand auf englischem Boden und wir mit ihr. Schauen wir mal, ob wir wieder hinein finden in die Geschichte.

Dass sie dort stand, wird – wen wundert’s – ganz unterschiedlich gewertet: als plumper Versuch, die englische Krone zu ergattern, als Dummheit ohne Boden, als Verzweiflung ohne Ende oder schlicht als Naivität. Vielleicht war es von allem ein wenig, vielleicht aber auch ein Beweis dafür, dass Maria es in den letzten Jahren doch ernst nahm mit ihrem Versuch, eine Versöhnung, eine Freundschaft zwischen sich und ihrer Cousine Elisabeth herzustellen – so unwahrscheinlich erscheint mir das nicht: wir haben gesehen, dass Maria ihre Freundschaften pflegte, ihre Freundinnen ihr wichtig waren. Dass das für Elisabeth nicht galt, dass bei ihr Sagen und Handeln zweierlei waren, konnte Maria vielleicht ahnen, nicht aber wissen, denn getroffen hatten sich die Cousinen niemals. Sie schrieben einander Briefe, sandten einander Geschenke und hatten dabei einen alles entscheidenden, stetig schwelenden Streit.

Wenn Maria an all die Freundschaftsschwüre Elisabeths glaubte, in ihr die einzig mögliche Rettung sah, dann ging Maria vielleicht von sich selbst, von ihrem eigenen Handeln aus. Mochte sie die falschen Männer lieben, sich zu Gefahr und Abenteuer hingezogen fühlen, all das waren Kleinigkeiten gemessen an diesem, ihrem größten Fehler: zu glauben, Elisabeth sei ihre natürliche Verbündete, sei es als Frau, als Verwandte, als Königin. All diese Gründe brachten Elisabeth ins Wanken, aber letzten Endes war der eigene Machterhalt wichtiger als das Leben der Frau, die sie immer schon mißtrauisch und argwöhnisch beobachtete.

Worin genau bestand der Zwist zwischen diesen beiden Königinnen? Die schlichte Antwort lautet: Politik, Neid, Eifersucht. Für Hollywood reicht das vollkommen aus und die Seifenoperaufteilung lässt starke und ehrgeizige Männer die Politik betreiben und zwei Frauen, die eine klassisch schön, sexy und verführerisch, die andere herb, neidisch und eifersüchtig, den Streit ausfechten. Das bietet viel Gelegenheit für Himmelbetten und Schlachtfelder, nackte Haut und rotes Blut. Je nach Ausrichtung des Films ist die Eine engelsgleich und die Andere teuflisch oder andersherum. Klug sind sie niemals, höchstens ehrgeizig, kaltherzig oder sonstwie ungeeignet.
Dass beide Königinnen ihre Qualitäten und Fehler hatten, haben wir schon gesehen. Dass keine von Beiden dumm, willenlos oder ungeeignet für Thron und Krone war, auch. Aber das wäre dann ein feministischer, männerhassender Film und sowas will ja niemand sehen (hahaha).

Wappen Elisabeths I. via Wikipedia

Wir müssen zurück in der Zeit: England und Frankreich – Erbfeinde bis zur Entente cordiale, die im Jahr 1904 geschlossen wurde. Begonnen hatte es irgendwann im 12. Jahrhundert. Durch allerlei Erberei, Räuberei und Schieberei gehörte ein großer Teil Frankreichs der englischen Krone. Was die französischen Könige störte. Aus persönlichen Gründen wie auch aus wirtschaftlichen. Weshalb sie versuchten, Land und Geld anderswo zu finden, was dann wiederum den englischen König ärgerte, da dadurch seine wirtschaftlichen Interessen in anderen Ländern gestört wurden. Ein Durcheinander, vermengt mit Scharmützeln, unzufriedener Bevölkerung und finanziellen Verlusten und wie immer lief alles auf Krieg hinaus. Auf einen gut Hundertjährigen.
Die Franzosen verloren Land, Leute und Würde, gewannen aber das Bewußtsein als Nation, was dem Deutschen Reich erst im 19. Jahrhundert „gelang“. Was dieses Nationalbewußtsein aller Länder über die Jahrhunderte hinweg mit sich brachte … nicht jede Geburt ist ein Segen. Aber das führt viel zu weit. Das wichtige für uns ist, dass um 1340 nach all den wunderbaren Siegen der englische König begann, die französischen Lilien in seinem Wappen mitzuführen: hier, sehet her, ich habe Anspruch auf Land und Thron! Und davon rückten die herrschenden Engländer auch nicht so bald ab; auch Elisabeth trug die Lilien im Wappen:

Damit war von seiten Elisabeths sicher keine Provokation Frankreichs beabsichtigt; vielmehr war es eine liebgewordene Tradition, eine Erinnerung der Insulaner an ihre Zeit auf dem Kontinent, bevor sie von Jeanne d’Arc vertrieben wurden. Als nun aber Königin Maria I. starb, proklamierte der französische König Heinrich seine Schwiegertochter Maria Stuart zur Königin von England und ließ sie diesen Anspruch auch in ihr Wappen aufnehmen. Was auch nicht viel mehr Bedeutung hatte als die französischen Lilien in Elisabeths Zeichen: den Thronanspruch hatte Maria, was immer irgendwo gemalt oder nicht gemalt sein mochte.

Da Heinrich VIII. eine ja einigermaßen unordentliche Wirtschaft hinterließ mit all diesen Ehefrauen und Kindern und bei all dem auch die Religion eine Rolle spielte, ging man in der Suche nach legitimen Thronerben wieder eine Generation zurück zu Heinrich VII. War Elisabeth seine – protestantische – Enkelin, so war Maria seine – katholische – Urenkelin, die dazu ohne jeden Makel von Scheidung und Hinrichtung war. Für die mächtigsten Herrscher jener Zeit, allesamt gut katholisch – war sie die einzig legitime Erbin. Allerdings blieb sie doch nur ein Mädchen und da Europa kein allzu großes Interesse an der Insel hatte, zog niemand für diesen Anspruch in den Krieg.

Maria selbst war mittlerweile Königin zweier Länder und wir können davon ausgehen, dass ihr das vollauf genügte und sie die Sache mit dem englischen Thron nicht zu wichtig nahm; sie war von Geburt an Königin und erachtete diese Würde für selbstverständlich. Wenn auch ihr Thron immer wieder wankte, sie immer wieder in Gefahr geriet: dieses Gefühl von Rechtmäßigkeit dürfte ihr immer eine Sicherheit gegeben haben – sie musste immer nur um den Thron selbst kämpfen, nie um ihr Anrecht. Für Elisabeth sah das anders aus: der eigene Vater hatte ihr das Recht abgesprochen, ihre Mutter war in Schande gestorben, für die katholische Welt war sie ein Bastard, für den Kronrat das schwache Weib – alles war für sie Kampf, alles war für sie Angriff. Sie konnte und wollte diesen Anspruch Marias nicht vergessen!
Von da an war Maria für sie das rote Tuch, die große Angst. Fast könnte man sagen, sie stalkte sie: was immer Maria tat und sagte, was sie trug und was sie aß – Elisabeth war informiert. Und offenbar fasziniert. Und eifersüchtig. Jajaja, ich weiß, das klingt jetzt so klein und so ganz anders als das, was ich mit meiner Schönheitsserie doch eigentlich zeigen will, aber so war es nun einmal. Es ist allerdings ein Fehler zu glauben, dies sei das einzige, was zu Streit und Hass und Tod führte: die Stutenbeißerei zweier Zicken und Tussis. Genau das war es nicht.

Elisabeth war eitel und liebte Kleider und Schmuck – je prachtvoller, je übertriebener, desto besser. Eine klassische Schönheit war sie nicht und es mag sein, dass sie selbst nicht glücklich mit ihrem Äußeren war, wann immer sie einmal Zeit fand, sich damit zu beschäftigen. Sie verlangte nach Schmeicheleien, die nicht der Königin, sondern der Frau galten (befahl diese allerdings recht königlich). Sie legte Wert auf Äußerlichkeiten, kein Detail blieb dem Zufall überlassen, sie war stolz auf ihre schlanke Figur und litt unter dem Verlust ihrer Haare in späteren Jahren, wollte als Fee, als überirdisch, als begehrenswert erscheinen. Und sieht Maria Stuart in Erzählungen vor sich stehen, sieht Gemälde, hört das überschwengliche Lob, das sie selbst doch so gerne hätte.

Maria ist meist schlicht gekleidet, verzichtet auf Dutzende Rüschen und kiloweise Perlen, scheint sich gar nicht um ihr Aussehen zu kümmern, ist von Freunden und Freundinnen umgeben. Wohin sie auch geht: sie fällt auf selbst im dunklen, schmucklosen Kleid. Ihr fliegt – wieder einmal – zu, worum Elisabeth sich bemühen muss. Wie gerne hätte Elisabeth etwas negatives entdeckt, aber Maria ist nicht nur eine äußerlich schöne Frau, sie kann ihr auch sonst das Wasser reichen: reitet eben so gut, spricht ebenfalls viele Sprache, weiß sich auszudrücken, musiziert und tanzt. Schauen wir uns die wenigen erhaltenen Portaits Marias an, so sehen wir eine eher unscheinbare Frau. Aber jeder, der sie kannte, schwärmte von ihr und erklärte, dass keines ihrer Bilder ihr jemals gerecht geworden seien. Elisabeths Abbilder hingegen wurden oft als geschönt wahrgenommen.

Sagen wir es einmal so: hätten beide in den 1990ern geherrscht, dann wäre Elisabeth in Escada und Versace aufgetreten, Maria in Jil Sander und Armani. Mehr Gegensatz geht kaum:

Modified
Original


Als Maria als Witwe zurück nach Schottland reist, erbittet sie zuvor die Passage durch England, was eine kürzere und sicherere Reise über See bedeutet hätte. Elisabeth verweigert die Durchreise, da sie zuvor auf der Anerkennung eines noch mit Maria de Guise (Marias Mutter und Regentin Schottlands) getroffenen Vertrages besteht, in dem Maria die Führung des englischen Wappens verboten und ihr Anspruch auf die englische Krone gestrichen wird. Was wiederum Maria ablehnt: Anspruch ist Anspruch, zumal, wenn es – ausnahmsweise unter Königs – mal ein rechtmäßiger ist. Da ging es los. Oder besser weiter nach Jahrhunderten englisch-französischer Animositäten.

Maria ist in Schottland, sieht sich dort von allen Seiten konfrontiert und beginnt, ihre Angelegenheiten fern der Guise-Onkel zu regeln. Und in diesen unruhigen Zeiten stehen Sicherheit und Zukunft ganz oben und das bedeutet: den Anspruch auf den englischen Thron sicher in der Hinterhand zu haben und gleichzeitig Frieden und Einigkeit zwischen England und Schottland herzustellen. Am liebsten beides auf einmal: Cousine Elisabeth als Freundin und Verbündete in dieser Männerwelt. Es macht Sinn. Und so wird geschrieben und versichert und gebeten und ausgewichen. Mal lädt die Eine ein, sich zu treffen, dann tut es die Andere, nur begegnen werden sie sich nie. Auf Marias Seite sind es wahrhaftig Terminschwierigkeiten: mit John Knox und dem gierigen Halbbruder, den Morden und Schwangerschaften in den wenigen schottischen Jahren – da bleibt kaum eine Möglichkeit, gefahrlos für einige Zeit zu verreisen und bei der Rückkehr den Thron noch frei wieder zu finden.
Elisabeth hingegen spielt, wie sie es immer tut: verzögern, verschleiern, versprechen, vergessen. Auch sie will Sicherheit. Ihre jüngere, attraktivere Cousine, die Gallionsfigur der Katholiken, erscheint ihr als Gefahr, die gebannt werden muss. Beispielsweise durch einen Ehemann, der Elisabeth zugetan ist und Maria positiv beeinflußen könnte und der sie beschäftigt. Wahrhaftig kommt Elisabeth auf die Idee, ihren Robin abzugeben. Sie bemüht sich sehr, ihm die Sache schmackhaft zu machen, doch so recht will er nicht. Noch hofft er ja, im eigenen Lande König zu werden. Und verheiratet ist er zudem. Was Elisabeth sich bei diesem Plan genau gedacht hat, ich kann es nicht nachvollziehen.

Nun ist es ja nicht so, als ob Maria in Schottland nicht auch genug erführe von dem, was in England vor sich geht. Sie bemüht sich um ein gutes Einvernehmen, ist zu allen Zugeständnissen bereit, wenn nur ihre Cousine, ihre Schwester im Geiste, ihre Mit-Insularin ihr verspräche, sie zur Thronfolgerin einzusetzen, damit das Thema endlich ruhen könne. Zum Zeichen ihrer Bereitschaft sendet sie ihren Botschafter Sir Robert Melville an Elisabeths Hof. Er ist gewandt, gebildet, gut aussehend und Elisabeth möchte die Gelegenheit nutzen, ihn und damit Maria nachhaltig zu beeindrucken, empfängt ihn mehrmals am Tage, jedesmal in einem anderen Gewand, geschmückt und geputzt und gibt ihm zu verstehen, dass sie von den Heiratsplänen Marias mit dem spanischen Thronfolger nicht angetan ist, das wäre ihr doch gar zu viel des Katholischen vor ihrer Haustür und führt stattdessen Robert Leicester wie ein Schoßhündchen vor. Was den Diplomaten befremdet und Maria endgültig verärgert: einen abgelegten Liebhaber ihrer Cousine würde sie ganz sicher nicht zum Manne nehmen, auch nicht um des lieben Friedens willen.

Aber Sir Melville weiß noch mehr zu berichten: so fragt ihn Elisabeth immer und immer wieder aus, wie groß Maria denn wohl sei, wie sie tanze, wie sie sänge? Ah, sie sei größer als sie, dann sei sie wohl übergroß (nunja, 1,80 m gilt auch heute noch als nicht eben klein für eine Frau). Wer den helleren Teint habe? Ach, die arme Maria sei halt arg dunkel. Und sie tanze nicht ganz so majestätisch, das habe sie wohl schon geahnt. Und Elisabeth, diese talentierte, kluge und scheinbar so überlegene Frau ist sich nicht zu schade, ihn, den geprüften und geplagten Diplomaten ganz klar zu fragen, wer denn die Schönere sei: sie selbst oder Maria? Aber Diplomat wird man nicht ohne weiteres und so antwortet Sir Melville jedes Märchen vorwegnehmend: Elisabeth sei die Schönste hier und Maria die Schönste in Schottland. Es wundert uns nicht, dass er in Schottland die Vermutung aussprach, Elisabeth könne eventuell, vielleicht und unter Umständen ein klein wenig eifersüchtig sein.

Wie auch immer, anstatt näher zu einander zu finden, entfernten sich beide Königinnen immer weiter, was auf einer kleinen Insel mit zwei Reichen eine ungünstige Situation ist. Und die Mär von der weiblichen Solidarität auf die Probe stellt. Was immer die Eine tut, die Andere wittert eine Provokation. Marias Heirat mit Darnley, der trotz seiner schottischen Wurzeln englischer Staatsbürger und dazu noch ein weiterer Thronprätendent ist, erzürnt Elisabeth: er hätte um Erlaubnis fragen, Maria hätte um Entscheidungshilfe bitten müssen – diese Heirat ist in ihren Augen ein direkter Angriff auf ihren Thron. In den privaten Briefen zwischen beiden wird Freundschaft beschworen, in den diplomatischen Noten Konsequenzen angedroht. Als Darnley ermordet wird, reagiert Elisabeth gewohnt ambivalent: nach außen hin lässt sie verlautbaren, dass sie jeden Verdacht an Marias Mitschuld für unmöglich hält, im kleinen Kreis – der Kreise zieht – fragt sie sich, was geschehen sein mochte und weckt Zweifel an Marias Charakter.

Es ist aber auch schwierig: alles, was Maria als gesalbte Königin tut, kann auf jede andere Königin zurückfallen und so ist Elisabeth gezwungen, im eigenen Interesse zu ihr zu halten. Auf der anderen Seite stellt Marias Existenz eine stetige Gefahr dar – Maria selbst wahrscheinlich weniger als diejenigen Engländer, die Elisabeth und ihre Regierung nicht wollen; Maria ist schlicht eine andere Möglichkeit, die genutzt werden könnte. Letztenendes werden die Unzufriedenen Englands nicht Elisabeths, sondern Marias Ende bedeuten.

So lange Maria wohlverwahrt in Schottland ist und dort um ihre Krone kämpft, mit Kinderkriegen und Heiraten beschäftigt ist, ist Elisabeth scheinbar gesprächsbereit. Als aber alles über Maria zusammenbricht und sie auf englischem Boden als Flüchtige gelandet ist, da – ja, da weiß auch Elisabeth zunächst einmal nicht weiter. Lässt sie zu, dass eine Königin von Gottes Gnaden einfach so von ihrem Volk abgesetzt werden kann, so würde dies ein Beispiel für ihr eigenes Land bedeuten und Meuterer, zudem Katholische, gibt es genug. Was also tun? Maria erwartet ganz selbstverständlich das, was sie selbst wohl getan hätte: eine Einladung an den Hof und eine Armee, um ihr Land zurück zu erobern. Oder einen Ruhesitz nahe des Hofes? Vielleicht eine Rückreise nach Frankreich? Im schlimmsten Falle einen Klosteraufenthalt?

Nun, Elisabeth schindet Zeit, wie üblich. Lässt Maria in eine Art Gästehaus verbringen, lässt sie vertrösten, reagiert verzögert auf Schreiben, sagt heute dies, morgen das und entscheidet erst einmal nichts. Diese Situation mit all ihren möglichen Konsequenzen bereitet ihr durchwachte Nächte und kalt und herzlos ist sie auch nicht. Was kann man tun? Sie ist durchaus willens, militärisch einzugreifen und Maria auf den schottischen Thron zurück zu bringen, wenn diese nur endlich den Anspruch auf die englische Krone aufgäbe – so sehr Maria Hilfe erhofft: dieser Preis ist ihr zu hoch.
Doch auch die englischen Lords sind nicht einverstanden: müsse nicht erst einmal geklärt werden, ob Maria in den Mord an ihrem Mann vewickelt sei? Eine Mörderin sei es wohl kaum wert, ihretwegen Krieg zu führen.

Der Prozess beginnt. Maria bestreitet dessen Rechtmäßigkeit: als Königin könne sie nicht vor einen gemeinen Gerichtshof gestellt und von diesem abgeurteilt werden. Von Schottland treffen die sogenannten Kassettenbriefe ein: Briefe, die angeblich von Maria und Bothwell geschrieben wurden und aus denen klar wird, dass beide schon vor Darnleys Tod ein Paar waren und der Mord geplant. Maria erklärt, dies seien Fälschungen. Bis heute weiß man auch hier nichts genaues, denn die Originale wurden vernichtet. Insgesamt passen diese Briefe zu gut in die Absichten Elisabeths und in die von Marias Halbbruder, der jetzt endlich, endlich in Schottland das Sagen hat. Der Prozess endet ohne rechtes Ergebnis wie von Elisabeth gewünscht und Maria bleibt in Haft.

Eine Haft in immer unbequemeren Häusern, mit immer strengeren Wärtern und immer weniger Zugeständnissen. Ihre Dienerschaft wird reduziert, der Kronrat beginnt, über die Kosten zu jammern und Elisabeth zögert und zögert. Und wird dem Volk gegenüber strenger und strenger. Die Unzufriedenen werden mehr und sie suchen nach einer Veränderung und finden sie in Maria Stuart. Immer wieder kommt es zu Verschwörungen, die entweder dem politischen Unwillen, dem religiösen Hass oder einer romantischen Idee entspringen: dort ist unsere wahre Königin, schön und unschuldig, hinter Kerkermauern, während ein Bastard uns mit harter Hand regiert …

Inwieweit Maria Stuart ihre Hand im Spiel hatte, treibend war – wir sagen es im Chor: man weiß es nicht genau. Es wurden ihr Fallen gestellt und in eine tappte sie hinein, in dem sie einen Brief beantwortete. Das sind Geschichten für die Ewigkeiten von geschmuggelter und überwachter Korrespondenz, von Neid und Eifersucht und Macht. Ganz klar ist, dass sie den Komplotten zur Absetzung Elisabeths zunehmend wohlwollend gegenüberstand und sich immer mehr zu schriftlichen Aussagen in diesem Sinne hinreißen ließ. Hätte sie um 1570 herum doch noch auf den englischen Thronanspruch verzichtet, so wäre es Elisabeth lieb gewesen, ihr den schottischen Thron zurück zu erobern. Aber da war Maria bockig: was genau sie sich versprach davon, wer kann das wissen? Das Selbstverständnis herrschender Könige war zu allen Zeiten ein anderes als das eines Bäckers.

Nach 18 Jahren Haft und dem unermüdlichen Versuch Marias, Elisabeth zu einem persönlichen Treffen zu bewegen, war der Bogen überspannt. Elisabeth sah nur eine Möglichkeit, die ständigen Verschwörungen und Attentatsversuche auf ihr Leben zu beenden: Maria als Symbol der Aufständischen und Unzufriedenen musste weg. Beweismaterial war zu Genüge vorhanden, der Kronrat wartete schon seit Ewigkeiten auf die Gelegenheit und so kam es erneut zum Prozess, an dessen Ende Maria des Hochverrates für schuldig befunden wurde. Das Urteil lautete auf den Tod.

Doch Elisabeth ließ sich Zeit mit der Unterzeichnung des Urteils. Nicht etwa, weil sie sich mitschuldig am Schicksal ihrer Cousine und Kollegin fühlte, sondern weil die Hinrichtung einer rechtmäßigen Königin ein ungutes Beispiel setzen könnte. Wahrhaftig versuchte sie den Wächter Marias – Sir Amyas Paulet – mit Andeutungen und Hinweisen dazu zu bekommen, Maria im Schlafe zu ermorden. Das lehnte er ab und so kam es zu Marias letztem großen Auftritt am 18. Februar 1587 im Schloß Fotheringhay.

Ein schöner Tag zum Sterben?

Kurz vor 10 Uhr betrat sie den Saal in einem schwarzen Kleid, einen weißen Schleier auf dem Haupte und zwei Rosenkränzen an Kleid und Hand. Bevor sie niederkniete, legte sie das schwarze Überkleid ab und ein rotes Unterkleid kam zum Vorschein – ein dramatischer Effekt, den alle Beobachter notierten. Bei der Wahl des Henkers hatte man keine allzu große Sorgfalt walten lassen: er war unerfahren und nervös und benötigte drei Schläge mit der Axt, bevor seine Arbeit getan war. Als er den Kopf griff, um ihn zum Beweis zu zeigen, habe er nur eine Perücke gefasst, was dazu führte, dass Marias Kopf wegrollte. Des Dramas nicht genug, sei noch ihr kleiner Schoßhund unter ihren Röcken hervorgekrochen. Diese Berichte machten Maria Stuart endgültig zur romantischen Heldin.

Abguß von Marias Totenmaske

Ob Elisabeth ihre Feindin vermisst hat? Es war die Frau, die Elisabeth am meisten interessiert hat, an deren Schicksal sie den größten Anteil genommen hat und die ihr vielleicht die beste Vertraute hätte sein können – die einzige Frau, die verstand, welche Aufgabe Elisabeth zu erfüllen hatte und welche Vorurteile widerlegt werden mussten. Hätte ein Treffen etwas an der Geschichte geändert? Hätte Elisabeth für Beistand in Schottland gesorgt, wenn Maria auf den englischen Thron verzichtet hätte? Wäre die ganze Geschichte von vorneherein anders gelaufen, wenn es für die männliche Welt um sie herum NICHT wichtig gewesen wäre, wie schön eine Frau zu sein hat?

Elisabeth bei Mme. Tussaud

Was mir bei der Betrachtung historischer Persönlichkeiten bis heute mißfällt, ist der selbstverständliche Sexismus, mit dem diese Betrachtung erfolgt: Schauen wir uns männliche Herrscher an, so ist auch dort die Rede von Charaktereigenschaften, aber sie spielen keine Rolle mehr, sobald es um Politik geht – selbst der absurdeste Thronanspruch wird noch ernst genommen und mit dynastischen oder wirtschaftlichen Gründen erklärt.

Bei Maria wird das Bestehen auf einem reellen Anspruch hingegen zu weiblicher Torheit, zu falschem Ehrgeiz, zum „selbst schuld an dem, was kommt“. Marias und Elisabeths Zwist hatte politsche Gründe, aber er fand auch Nahrung im persönlichen Erleben der beiden. Das „Größer, länger, reicher-Spiel“ der Männer hingegen wird seltenst mit Eitelkeit, Gier oder Profilsucht erklärt. Jeder in seinem Kern noch so lächerliche Konflikt wird hier rein faktisch dargestellt.

Ein Sonnenkönig beispielsweise kann seine Mätressen wechseln, wie er will und wird dafür noch gute Gründe untergeschoben bekommen, ja, dadurch erweist er sich erst als Manns genug, um einen Staat zu lenken. Katharina die Große hingegen kann nicht durch ihre Erfolge glänzen, ohne sich einen Hinweis auf ihr Schlampentun ersparen zu können. Während Ludwig der XIV. ein Wunder der Natur ist, regieren, essen, trinken, jagen, bauen und lieben kann und das alles zur gleichen Zeit und durch seine Mätressen beweist, dass er immer alles in der Hand hat, ja, sich nicht einmal vom Weibsvolk das Hirn vernebeln lässt, ist Katharina nahe an der Perversität, ihren Lüsten hilflos ausgeliefert und hat dabei nur das große Glück, immer wieder auf gute Männer zu treffen, die ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihr das Regieren durch Mithilfe erleichtern. Ja, genau so wird es gewesen sein …